Autor: chickenrun, Copyright by CR, Jakarta 2002

1 Interkulturelles aus Indonesien - Indo Anekdoten

Mein persönlicher Beitrag zum Thema "Praktische Erfahrung mit der anderen Kultur"...


Guten Morgen.
Ich habe mir Gedanken gemacht (ich weiß, einige werden jetzt aufschreien…) und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich Leid und Freud doch irgendwie mit jemandem teilen sollte. Die Notwendigkeit, andere in die kleinen und großen Sorgen und Erlebnisse aus dem Leben eines "caucasian" (so nennt der gemeine Asiate die sogenannte "Langnase") Expatriats (Expat) in Indonesien einzubinden ist einfach zu erdrückend. Also werde auch ich meinen Teil zum "Interkulturellen Kennenlernen" beitragen.
Nehmt die folgenden Zeilen bitte zum Anlass, Euer Weltbild zu verändern oder Euch einfach nur zu amüsieren…

Sei's drumm. Wo soll ich beginnen ? Ach ja, da war ja erst kürzlich etwas…

I. Bettwäsche

Juhuu, wir richten unser Heim ein - und natürlich nicht irgend eins - nein, es muss ein Haus sein, nach den quälenden 11 Monaten Appartment-Hysterie in Singapore.
Nun gehört in dieses Haus ein gerade neu angeschafftes Himmelbett inclusive einer Matratze, die vom Preis eher in die Richtung eines Kleinwagens tendiert, aber angeblich jedem Orthopäden Freude bereitet - mein Rücken sagt mir, dass ich definitiv keine Ahnung von Orthopädie habe …

Es kam der Tag des Bettwäschekaufs und das Unheil nahm seinen Lauf.
Wir verbrachten ca. 2 Stunden (gefühlte Männer-Einkaufs-Zeit 35 Stunden) im Plaza Senayan und dem dortigen Einkaufsladen SOGO (vergleichbar mit Karstadt).
Ich muss dazu sagen, dass ein Grossteil dieser Zeit dafür draufgeht, die vielen unbeschäftigten Angestellten zielsicher abzuschütteln, um eine gewisse Ungestörtheit beim Stöbern zu erreichen.
Hier zeigt sich einmal mehr der Unterschied zum typischen Einkauf in Deutschland. Wie oft hat man sich nach stundenlangem Herumirren auf der Suche nach dem einzigen Verkäufer der gesamten Etage am Ende mit anderen Kunden um selbigen gestritten.
Wie auch immer, nach erfolgreichem Slalomparcours und ablenkenden Stops hier und da waren schnell zwei Kissen, eine Schlafrolle und die passende Bettdecke gefunden. Bei der Bettdecke erregten in erster Linie zwei Aufkleber mit widersprüchlichen Größenangaben unser Interesse. "210*240 cm" und "210*210 cm" stand dort geschrieben. Als gutes Expat-Ehepaar und vor allem ordnungsbewusste Deutsche mussten wir hier sofort für Klärung sorgen. Welche Größe denn nun die richtige sei, fragten wir und bekamen prompt die Antwort "210*240".
Verflixt, das war schnell - eigentlich zu schnell - wir konnten uns ja nicht mal über die eigene Sorgfältigkeit freuen. Egal, die Größe war i.O., also nix wie gekauft.
Nun fehlte zur Vollendung des jungen Glücks nur noch die passende Bettwäsche…
Nach Studium der Preise kamen wir zu der Überzeugung, dass sämtliche Überzüge als Einzelstücke von einem einhändigen, blinden Eskimo auf dem Mars in zehnjähriger Arbeit aus Seide geflochten wurden. Wie ließen sich diese Preise sonst erklären??!!
Also erst mal nix mit Bettwäsche und ab nach Hause - kann man(n) ja auch noch später kaufen.

Der nächste Tag sollte von der ersten Nacht im wundervollen Himmelbett gekrönt werden. Ich wurde zum Freiwilligen erklärt, nun endlich doch noch Bettwäsche im SOGO zu kaufen - allerdings in der etwas kleineren Filiale in der Nähe unseres Apartmenthauses.
Mir graute es. Weniger Auswahl im Laden gepaart mit der weiblichen Vorgabe "Kauf halt was Günstiges, aber pass' auf, dass es nicht zu billig aussieht" konnten nur im Desaster enden. Trotz allem schlug ich mich wacker. Nach nur 3 Rückversicherungs-Anrufen bei der Gemahlin strotzte ich mit erhobenem Haupt Richtung Heimat.

Mit geschwollener Brust warf ich die Beute auf den Wohnzimmertisch und verfolgte die prüfenden Blicke und Griffe meiner Frau mit Argesaugen. Da keinerlei Kritik folgte sank ich glücklich und zufrieden in den Wohnzimmerstuhl und begann vor meinem geistigen Auge meinen triumphalen Feldzug noch einmal Revue passieren zu lassen…
"WAS HAT DAS DING GEKOSTET…????!!!!!" reißt es mich aus allen Träumen und ich sitze wieder kerzengerade wie zum Appell.
Meine Gattin ringt nach Luft und ich versuche zu beschwichtigen "Aber Schatz, das haben wir uns doch gestern angeschaut, der Preis ist der gleiche…".
"Ich hatte aber doch 'nen viel geringeren Preis in Erinnerung.." Ach herrje, das K.O.-Argument. Ich bin also doch schuld und ärgere mich, nach nunmehr 13 Monaten in Asien immer noch nicht den berühmten "double-check" oder übersetzt "doppelte Rückfrage" auch im Privatleben eingeführt zu haben.
Nach weiteren 20 Minuten ist aber alles wieder gut und die Atmung meiner Frau ruhig und gleichmäßig.
Später dann erfolgt der Aufbruch mit Sack und Pack im vollgepackten Auto Richtung Haus - nur diesmal sitze ich anstatt unseres Fahrers Ujang am Steuer. Im relativ flüssigen Sonntagsverkehr erreichen wir tatsächlich das Ziel, ohne dass wir Schadensersatzklagen anderer Verkehrsteilnehmer fürchten müssen.
Als wir ein paar Stunden danach die Bettwäsche beziehen der Schock - der Bezug für die Decke ist auf einer Seite rund 30cm zu lang…
"Haben die jungen Damen im Kaufhaus wohl etwas voreilig entschieden" denke ich. Meine Gattin findet etwas klarere Worte "WAS IST DAS DENN FÜR'N SCHEISS ?? Die Decke ist ja viel zu klein !!"
Ich nicke zustimmend und in der geeinten Frustration ist zum einen schnell beschlossen, dass die Decke schleunigst umgetauscht wird und zum anderen ich die verkürzte Seite mit weniger Decke und mehr Bezug zum Schlafen erhalte…

Nach ein paar Tagen finden wir endlich die Zeit, gemeinsam mit der wieder eingepackten Decke zum SOGO zu fahren. Die nervige Anfahrt (45 Minuten) gibt unserer "Jetzt-zeig-ich's-Euch-ihr-kleinen-indonesischen-Besserwisser"-Stimmung noch den nötigen Nachhalt und mit versteinerter Miene erreichen wir die Bettwäscheabteilung.
"Ha, da sind 'se ja wieder und wissen nicht, was sie tun sollen" denke ich beim Blick auf den Verkäufer-Haufen und platziere das Daunen-Übel strategisch auf der Kassentheke.
Sofort springt eine junge Dame herbei und bietet uns in ihrer knapp unter der einer Hundepfeife liegen Stimmlage Hilfe an. Meine angeheiratete Verkaufstrainerin beginnt zu erklären und der Gesichtsausdruck ihres Gegenüber wandelt sich unter dem Dauerfeuer englischer Sprache schnell in ein hilfloses Lächeln.
"One moment" ist die erwartete Antwort und wir freuen uns darauf, dass nun - wie eigentlich immer - eine Kollegin herbeigezerrt wird, die wahrscheinlich noch weniger des Englischen mächtig ist… "Das wird ein Spaß" denke ich noch.
Umso großer unser Frust, als die dazugeholte junge Dame tatsächlich klar verständliches und flüssiges Fremdsprachenwissen von sich gibt und nach erneuter, aber nicht mehr ganz so aggressiver Schilderung des Problems zusammen mit der Decke in den Weiten der Regalwelt entschwindet.
Nach dieser Teilniederlage unsererseits gehen wir in die Belagerungsstrategie über. Demonstrativ vergnazt dreinschauen und an der Kasse ungeduldig herumlaufen. Plötzlich erscheint die Verkäuferin wieder und versucht uns etwas zu vermitteln. "Sorry, aber wir haben diese Decke nicht mehr in der gewünschten Größe" möchte ich verstehen, aber nix da. Sie bittet uns an eine etwas offenere Fläche, wo uns fast die gesamte Crew der Abteilung mit wirrem Blick empfängt und die mitgebrachte Decke entgegen hält.
"Entschuldigen Sie, aber die Decke hat die richtigen Masse" entgegnet die Englischlehrerin und ca. 12 Augenpaare schauen uns unschlüssig an. Innerlich versuche ich Stärke zu zeigen, doch nach Außen scheint dies nicht so richtig gelingen zu wollen. Ich werde unsicher - doch ich hab' ja noch meine Gattin, auf deren Stirn ich ein "Die wollen mich wohl verar…." zu lesen glaube.
Ein ungläubiger Blick von ihr - erst auf den potentiellen Bettwärmer und dann zur Verkäuferin, während die restlichen 11 Augenpaare einfach ignoriert werden. Die junge Dame sieht sich in der Defensive und zückt augenblicklich ein Maßband - ach herrje, ich ahne nichts gutes.
Nach 20 Sekunden ist per unumstößlichen Praxistest bewiesen, dass die Decke die richtige Größe besitzt und ich nicht unbedeutend demoralisiert. Mir kommen erste Zweifel an unserer Beschwerde und tausche diese mit meiner Gattin aus "Vielleicht haben wir ja was falsch gemacht" flüstere ich. "Wenn wir falsch bezogen hätten, müsste ja an einer Seite was zu lang sein" raunzt sie zurück und ich beschränke mich fortan lieber auf die Diskussion mit der inneren Stimme.
Doch halt - wir geben noch nicht auf - NOCH NICHT ! Es muss am Bezug liegen !! Getreu dem Motto "Wecke den Trainer in Dir" wittert meine Gattin die Chance, das Beschwerdemanagement des Hauses auf die härteste Probe seit der Asienkrise zu stellen. Sie erklärt, zeigt und debattiert und kurzerhand ist ein identisches Exemplar unseres Bezuges aus einem der Regale gezaubert.
Leider wird dieser unter unseren strengen Augen auch sofort über die Decke gezogen und meine innere Stimme schreit nun unaufhörlich "DU DEPP !" während sich langsam kalter Schweiß auf meiner Stirn breit macht.
Fassungslos sehe ich mit an, wie der Bezug wie angegossen passt und uns nun mittlerweile ca. 15 Augenpaare noch unverständlicher als zuvor anschauen.
Ich bin am Ende - eine Welt bricht zusammen und ich blicke nach ungefähr 10 Minuten anhaltender Stille und des Auf-die-Decke-Starrens dümmlich grinsend in die Runde.
Selbst meine Frau merkt, dass hier irgend etwas nicht so läuft, wie wir es uns vorgestellt haben und bemerkt nur knapp "Ich glaube, wir haben da was falsch gemacht." Nachdem auch sie etwas dümmlich lächelt, löst sich schließlich bei den indonesischen Verkäuferinnen die Anspannung und auch sie beginnen zu grinsen. Nur irgendwie anders….
Jetzt aber nix wie weg hier, spricht mein kleiner Mann im Ohr (und anscheinend auch der bei meiner Frau), wir verpacken die Bettdecke im Eiltempo und nach einem kurzen "Thanks" sind wir verschwunden und auf der Rolltreppe Richtung Erdgeschoss.
Auf dem Weg zum Auto quält mich nur ein Gedanke - wann und wo habe ich mein räumliches Vorstellungsvermögen verloren….achja, und noch ein weiterer "Wie bescheuert kann man(n) eigentlich sein?"

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