© "Nik" Klaus Polak
seit 2/2003 als freier Reisejournalist auf Weltreise
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Text: © "Nik"Klaus
Polak,
Bonn, Germany
übrige Fotos: © gekennzeichnet
zum Archipel San Blas (Kuna Yala)
Panama ist die Brücke zwischen zwei Ozeanen, zwei Kontinenten und verschiedenen Welten. Fast doppelt so groß wie die Schweiz werden nur 2.5 Millionen Einwohner gezählt. Die beste Reisezeit zur karibischen Küste ist Januar bis März / April ("Trockenzeit") und Ende Juli bis September während der "kleinen Trockenzeit". Allerdings haben auch hier die weltweiten Klimaänderungen zugeschlagen, nicht mal mehr auf die "Regenzeit" ist so richtig Verlass. Als offizielle Währung dient der amerikanische Dollar. Nach Panama fliegt u.a. American Airlines, British Airways, Iberia plant ab Anfang 2004 sogar einen Direktflug ab Madrid.
Eine
Kette aus etwa 360 Inseln und Inselchen in der karibischen See vor der südöstlichen Küste
Panamas, die sich ca.
180 km bis zur kolumbianischen Grenze hinzieht, bildet der Archipel San Blas.
Sie und die Küstenregion werden von etwa 25 000 Kuna-Indios bewohnt. Die Kuna haben der Unterwerfung durch die Zentralregierung in
blutigen Auseinandersetzungen getrotzt, die schließlich 1925 in einem Aufstand
gipfelte. Obwohl 1930 ein politischer Vergleich geschlossen wurde, mussten die
Indios noch jahrzehntelang kämpfen, bis schließlich das semiautonome Gebiet
Kuna Yala etabliert war.
Dieses Gebiet ist durch geographische Barrieren isoliert, daher fast
ausschließlich aus der Luft mit kleinmotorigen Maschinen oder über den
langwierigen, logistisch nicht einfachen und teureren Seeweg zu erreichen und auch aus diesem Grunde vom Massentourismus
noch weitgehend verschont. Dadurch konnten sie sich ihre Traditionen
überwiegend bewahren, stehen allerdings den westlichen Errungenschaften gegenüber
offen, soweit sie mit ihrer Lebensweise vereinbar sind. Ähnlich wie auf den
Malediven grenzen sich die Einwohner recht stark gegen Überfremdung ab. Es gibt
Hotelinseln wo Touristen erwünscht sind, in die anderen Gebiete gelangt man
fast ausschließlich durch
persönliche Kontakte.
Wir kommen gerade aus Costa Rica und bummeln an der nördlichen Pazifikküste
im zentralen Parque Cevantes von David, der drittgrößten Stadt Panamas.
Dort treffen wir auf den jungen Kuna-Indio Fabio. Er ist seit vielen Jahren zusammen mit seiner Mutter und anderen
Familienmitgliedern in David und verkauft dort selbstgefertigtes Kunsthandwerk.
Trotz langer Entfremdung oder vielleicht gerade deswegen sucht er immer stärker
nach seinen Wurzeln und schreckt auch nicht davor zurück, seine ambitionierten,
zukunftsweisende Visionen vor den Dorfobrigkeiten auf seiner Heimatinsel lautstark zu Gehör zu
bringen. Es würde mich nicht wundern, wenn er, bei gesteigertem diplomatischen
Geschick, selbst einmal die Leitung des Dorfes in die Hand nehmen würde. Zu
wünschen wäre es ihm, allein mir fehlt der Glaube, bei solch "radikalen
Vorstellungen" wie "... nieder mit dem Kokain, mehr Bildung für
unsere Kinder ... ". Wie überall wird vermutlich auch hier die Verlockung
des "Modernen" seine Utopie zerstören.
Nach längerem Gespräch bietet er uns einen mehrtägigen Ausflug in sein
Heimatdorf an. Englisch wird dort nicht verstanden, Tourismus ist unbekannt, ein Führer ist daher
unverzichtbar. Allein schon, um
eine private Unterkunft zu finden, denn es gibt keinerlei touristische Übernachtungsmöglichkeiten auf
seiner Insel! Dafür wird das originäre Leben der Kuna-Indios mitgelebt.
Alles rattensicher aufhängen!
Foto: © Nadine Martin, Bonn
Die genauen Bedingungen der Entlohnung sollten vorher abgesprochen
werden. So kostet zwar die Unterkunft in seiner primitiven Hütte nur
fünf Dollar pro
Person, er erwartet aber unausgesprochen die komplette Reisekostenerstattung
incl. Flug
bzw. Busfahrt ab und nach David. Ansprüche an ein gefliestes Badezimmer,
kakerlaken- oder mausfreies Areal, eine eigene Toilette oder gar Dusche darf
man nicht stellen. Die geduckte, palmblattgedeckte Bambushütte mit bauchnabelhoher Tür
verfügt über einen gestampften Lehmboden, drei Quadratmeter großem "open-air-Bad"
mit Korallenschutt als Sickermaterial, immerhin eine (fast)
permanent funktionierende Wasserleitung mit einem 10 l - Eimer, Hängematten
und dem "Schrank" Marke Eigenbau. Da fast im gesamten Dorf keine
Elektrizität vorhanden ist, Polizei, Krankenhaus und eine Handvoll
Privathäuser sind noch die Ausnahme, stammt das einzige Licht aus einer Petroleumfunzel,
ein Fenster ist nicht vorhanden.
"Privatsphäre" stellt sich nur nach Schließen der Hütte ein. Immerhin hat sie von außen ein
Schloss, von innen wird
sie mit einem umgebogenen Nagel gesichert. Wer auf all dies eingestellt ist und
seine Ansprüche reduzieren kann, für den ist es ein - wenn auch schwieriges -
Erlebnis! (Siehe auch eine ernüchternde GEO-Reportage! Sie
stammt von 1977, wir können allerdings viele der dort angesprochenen, eher
negativen Seiten prinzipiell - wenn auch in abgeschwächter Form - bestätigen.)
Aus diesen Gründen empfehlen wir vorläufig alle Regionen der
Kuna-Indios, die KEINE Hotelinseln sind, nur mit einem
kundigen und einheimischen
Guide zu betreten. Spanischkenntnisse sind äußerst vorteilhaft.
Wie wir feststellen mussten, sind einige persönliche Dinge unbedingt mitzunehmen. Dazu können gehören:
Filme, Hygieneartikel, (Fleisch-)Konserven, (Taschenlampen)Batterien,
Sonnenschutzmittel, spezielle Medikamente, Alkoholika, Zigaretten (es gibt z.Z. nur einheimische
Mentholzigaretten) etc. pp.. All dies ist auf der Insel gar nicht oder nur sehr selten
erhältlich!! Ferner sollte man an Repellents
denken, weniger gegen Moskitos, als mehr gegen die temporär auftretenden, sehr
lästigen Sandmücken (pan. "chitras") vom späten Nachmittag bis frühen
Abend. Malaria, Dengue und
Leishmaniose
treten allerdings selten und eher im Dschungel und den Mangrovengebieten der
Küsten- und tieferen Bergregionen auf.
Es existieren mehrere kleine Tante-Kuna-Läden und Kioske, in denen ein Minimum an
Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen angeboten wird. Die Versorgungsmöglichkeiten vor Ort
sind sehr stark eingeschränkt,
Trinkwasser in Flaschen aber vorhanden.
Ich möchte dies hiermit nicht dramatisieren, aber wer als
"Normaltourist" hier eintrifft sollte vorgewarnt sein, erfahrene
Globetrotter können ihre entsprechenden Vorbereitungen treffen und sich adäquat
einstellen.
Ohne Rücksprache mit dem Tower, denn den gibt es nicht, wird je nach örtlicher
und zeitlicher Bedingung mal gegen den Land- oder den Seewind gestartet.
Einziger Orientierungspunkt ist ein Fähnchen, bei größeren Pisten auch mal
ein echter Windsack. Gegen den Landwind heißt die Kiste möglichst rasch
hochziehen, denn schon kurz nach dem Abheben beginnen die ersten Hügelketten,
so dass im Zweifelsfalle kurvenreich durch die schmalen Täler und über Kammsättel
Höhe gekratzt werden muss.
Man hat den Eindruck in einem fliegenden Bus zu sitzen, in der Luft erkundigt
sich der Pilot über die Schulter, wo er - bitte schön - seine Fluggäste absetzen
soll. Nach einigen Zwischenlandungen und gut 1½ Stunden reiner Flugzeit ist schließlich
die Geburtsinsel unseres Führers
und Übersetzers Fabio erreicht.
Playón Chico, in der Kuna-Sprache Ukupseni genannt, ist ein Oval mit der größten Halbachse von ca. 2 km und wird von etwa
3000 Indios bewohnt, Tendenz trotz hoher Kindersterblichkeit exponentiell steigend.
Obwohl einige Verhütungskampagnen gestartet wurden, ist der ungebremste Kinderzuwachs auf Schritt
und Tritt zu spüren. Nur noch wenige Quadratmeter stehen für neue Hütten zur
Verfügung. Einige wenige Steinhäuser der Behörden, des
Krankenhauses, der wenigen Wohlhabenden und der ungewöhnlich vielen Kirchen, die ihr Geld
offensichtlich nicht besser verschwenden konnten, wirken deplaziert.
An der Hauptbootsanlegestelle herrscht ein reger Tausch- und Bargeldhandel
mit fahrenden - oder sollte man sagen schwimmenden? - Händlern aus den
nördlichen Bereichen Panamas sowie Kolumbiens. Es ist daher nicht
erstaunlich, dass eines der wenigen Steinhäuser einem Kuna gehört,
der offensichtlich für alle mit Kokain handelt, neben Alkohol das
größte Problem der Indios, die sich bisher allenfalls bei Festen mit Palmwein
und Marihuana berauscht
hatten.
Playón Chico (Ukupseni)
Von links: Landpiste, eine zur Insel führende Brücke,
unten Korallenriffe
Foto: © "Nik"Klaus Polak
Jeder Fremde ist zunächst den drei Kaziken (Dorfhäuptlingen)
vorzuführen, sie entscheiden über das weitere Vorgehen, denn Touristen sind
hier nicht gerne gesehen.
Fabio hat sich damit einen Tag Zeit gelassen, was vielleicht ein Fehler war.
Als wir das riesige Gemeindehaus
aus Bambus, gedeckt mit Palmwedel, betreten, müssen sich unsere Augen erst einige
Minuten an den dunklen, fensterlosen Versammlungsraum gewöhnen. Zunächst sehen wir etliche Sitzreihen,
dann taucht in der Mitte ein freier Platz auf, wo zwischen den tragenden Pfosten
drei Hängematten aufgespannt sind. In ihnen räkeln und dösen die
Dorfoberhäupter, über ihnen sind die Bilder der Vorgänger an einem Querbalken
angebracht. Fabio bedeutet uns zu setzen und scheint unsere Vorstellung zu
übernehmen. Man begrüßt uns nicht, wie wir das aus
anderen, vergleichbar abgeschiedenen Teilen der Welt gewohnt sind, noch werden wir in
irgendeiner Form angesprochen. Unser Spanisch ist schon schlecht, von der Kuna-Sprache haben wir
in den wenigen Stunden nur einige Brocken gelernt. Und so geht die Unterhaltung
vollkommen an uns vorbei. Keinen scheint es zu kümmern. Wir bekommen nur einige
Andeutungen mit, die Fabio uns gegenüber schon in der letzten Zeit gemacht hat.
Es fallen die Worte "Alkohol", "Kokain" und
"Schule", alles andere bleiben Böhmische Dörfer für uns, außer dass
verschiedentlich in unsere Richtung gedeutet wird, wobei uns etwas mulmig wird.
Abrupt und erkennbar erbost deutet uns Fabio nach 20 Minuten an, dass unsere
"Vorstellung" beendet ist. Nadine und ich schauen uns unsicher an, wollten
eigentlich einen freundschaftlichen guten Tag wünschen, uns nun zumindest
verabschieden, und jetzt ... jetzt sollen wir ohne ein Wort, ohne eine freundliche
Geste aufstehen und gehen? Es bleibt uns nichts anderes übrig, als Fabio
konsterniert zu folgen, der uns nach einem längeren Rundgang erklärt, was vorgefallen ist.
Die Dorfoberen vermuteten, dass wir als touristischen Gäste auf der
Insel weilen. Nur unter Vorbehalten wurden wir als seine privaten Freunde anerkannt, die
für ein paar Tage seine Gastfreundschaft genießen, um das Dorfleben kennenlernen zu können. Offensichtlich ob recht eigenwilliger
Touristen von einer Hotelinsel in der Nachbarschaft, fühlen sie sich in ihrer
Semiautonomie beeinträchtigt, wenn kurzfristig kleine
Gruppen einfielen, ungeniert in die Hütten und Kochtöpfe schauten, ohne zu
fragen fotografierten und
unter Preis kunsthandwerkliche Produkte aufkauften.
Konsequenterweise ist uns ein Fotografier-, Video- und Tonaufnahme-, sowie ein Verbot
kunsthandwerkliche Objekte zu kaufen erteilt worden. Die hier gezeigten Fotos
sind daher vorher aufgenommen worden bzw. zeigen keine Einheimischen.
In wieweit sich diese restriktive Politik künftig durchhalten lässt,
bleibt fraglich. Das Grundansinnen mag gut gemeint sein, die Umsetzung bedarf
allerdings noch einiges an Feinschliff.
Im Anschluss müssen wir vor allem den
"fotografierhungrigen" und zuweilen darum bettelnden Kindern mit
Händen und Füßen diese Auflage erklären. Auch die fast schon rührenden Angebote handwerkliche Gegenstände
zu erstehen müssen wir leider
ablehnen. Teilweise blutet uns das Herz. Zudem erfahren wir wieder einmal, wie ungeheuer wichtig es ist, die einheimische Sprache zu sprechen.
Idylle?
Foto: © Nadine Martin, Bonn
Ein Gang über die festgetretenen Erdstraßen des
verwirrenden Dorflabyrinths zeigt uns ein einfaches aber offensichtlich
zufriedenes Gemeinschaftsleben. Die meisten der verwinkelten Gassen wirken
ärmlich und die Hütten erneuerungsbedürftig. Bettelnde Kinder haben wir
allerdings nie erlebt, alle scheinen wohlgenährt. Von den wenigen Generatoren profitieren nur einige
Nachbarn durch abenteuerlich verlängerte Stromleitungen.
Dementsprechend gibt es keine Fernseh- oder Radioantennen und nur vereinzelt lärmende, batteriegespeiste CD- und Kassettenrekorder.
Überall werden wir von den Erwachsenen zurückhaltend beobachtet, manchmal auch mit einem kleinen
Lächeln bedacht. Kinder nähern sich langsam, dann aber um so heftiger und sind
wie überall in der Welt unsere ersten Kontakte. Von ihnen lernen wir auch die
ersten Brocken der Kuna-Sprache, sonst wären wie total hilf- und
"sprachlos".
Dicht an dicht
Foto: © Nadine Martin, Bonn
Die Dorfbewohner gehen unbeeindruckt ihrem üblichen Tagesablauf nach. Früh am Morgen begeben
sich die Männer mit Einbäumen, teilweise schon mit Motoren ausgestattet, zum
Fischen oder zur Feldarbeit auf das nahe Festland. Fast die gesamte Hausarbeit,
hier herrscht noch die traditionelle Arbeitsteilung, findet auf den Wegen vor
den Hütten oder in kleinsten Vorgärten statt. Frauen sind mit der Wäsche,
dem Hausputz und den Vorbereitungen für das Essen beschäftigt. Getreide wird von
Hand gedroschen, Fische ausgenommen und auf Gestellen getrocknet, überall
stehen vor den Hütten dampfende Töpfe auf Gasflammen, sicherlich eine der größten Gefahren auf dieser
Insel, wo die leicht entflammbaren Hütten nur eine Handbreit auseinander stehen.
Ebenfalls in Heimarbeit werden die molas gefertigt,
einem einzigartigen Kunsthandwerk Meso-Amerikas. Dabei handelt es sich um eine
Applikations-Stickerei, die ursprünglich und auch heute noch die Bluse der Frauen
ziert. Diese Tracht ist
in ihrer heutigen bunten Form erst ab 1950 entstanden. Die Vorläufer zu Beginn
des 20. Jahrhunderts haben sich vermutlich aus der bis dahin üblichen
Körperbemalung statt -bekleidung - die die ersten Missionare förderten
- entwickelt. Es gibt nicht nur traditionelle Motive, sondern auch umgestaltete
Industrielabels, Kommentare zu politischen Ereignissen, sogar als Informations- und Lehrmedium werden sie verwendet (z.B. Motiv eines
Kaimans, der
ein Kind attackiert). In der Auseinandersetzung mit den USA in den 90iger Jahren erhielten die molas einen Status als panamesisches
Identitätssymbol und haben sich spätestens seitdem auch in der Oberschicht des
westlichen orientierten Panamas etabliert.
Viele molas werden in Museen auf der ganzen Welt ausgestellt, im Alltagsleben gehören
sie, neben den ebenso bunten unterschenkel- und unterarmbedeckenden Bändern, zum normalen Schmuck der
kleinen, ungewöhnlich selbstbewussten Kuna-Frauen. Sie trifft man tagsüber in der Fußgängerzone von Panama-City
beim Verkauf, zwei Tage später in ihren Hütten im Archipel.
Vollkommen selbstverständlich nutzen sie für die Reise das Flugzeug.
Inzwischen begeben sich die ersten Kindergruppen in teilweise zerschlissenen,
aber immer gepflegten Schuluniformen zu dem Schulgebäude auf dem Festland.
Es ist in einem erstaunlich guten baulichen
Zustand, die Qualität des Unterrichts soll allerdings jeder Beschreibung
spotten. Verantwortlich dafür ist u.a. die geringe
Entlohnung und entsprechende Demotivation der Lehrer, wie uns Ortskundige
berichten. Außerdem sei nicht jede Familie in der Lage, das Schulgeld
aufzubringen.
Frappant ist jegliche Abwesenheit von Müll, für die hiesigen Verhältnisse könnte man sogar von einer ausgesprochenen Sauberkeit
sprechen, eine Mülldeponie oder -verbrennung
allerdings nicht vorhanden. Nur Aludosen werden an vereinzelt vorbeiziehende Boote gegen geringes Entgeld
verkauft oder eingetauscht. Alles
andere
wird, deutlich sichtbar, direkt am Inselufer entsorgt, der Uferrand selbst ist mit zahllosen
Toilettenbruchbuden übersäht. Die abgehärteten Kinder schwimmen, baden und tauchen
hier sogar unter den Aborten nach Fischen und
Oktopus mit ihren einfachen Harpunen. Selbst die in Panama-City hochgeschätzten Langusten werden in dieser Kloake
in Drahtkäfigen bis zum Verkauf lebend zwischengelagert und nehmen so alle
Keime auf, die auf -itis enden. Nicht immunisierten Touristen ist jeder Kontakt
mit dem Wasser dringend abzuraten, was leider nicht immer möglich ist (z.B.
wenn man ein Einbaum besteigt).
Zumindest sollten Wunden wasserdicht geschützt werden.
"WC's"
Foto: © Nadine Martin, Bonn
Trotz vollständiger Erkundung der Insel ist es uns nicht möglich, auch nur
einen Meter unvermülltes Ufer zu entdecken, auch das Innere der Insel bietet keine Möglichkeit sich
entspannt niederzulassen. Durch
Zufall finden wir eine belgische Volontärin eines internationalen
Studentenaustausches, die in einem der wenigen
einheimischen Steinhäuser eine Unterkunft fand. Sie arbeitet teils in der
Schule, teils im Inselhospital
und wurde nach dem Zufallsprinzip hierher geschickt.
Das Krankenhaus ist nach ihrer Auskunft mit Notfallmaterial relativ gut ausgestattet, die
Hygiene kann allerdings nur im Kontext des Umfelds als angemessen bezeichnet werden. Die
bezahlten einheimischen Kräfte, die sie unterstützen sollen, kommen nach ihrer Erfahrung den Betreuungsaufgaben in keiner Weise
nach. Nach
drei Wochen ernüchternder Eingliederung sucht sie nun
dringend um eine Versetzung anderen Ortes nach.
Immerhin bekommen wir bei ihr den einzigen Kaffee auf der Insel - mehr oder weniger privat - und
können uns auf der vergitterten Veranda einer gewissen "Freiheit und
Unabhängigkeit" erfreuen, sind somit auch der Tuchfühlung ständig
neugieriger Kinder
für eine Weile entzogen.
Im Inseldorf gibt es einige kleine abendlich geöffnete "Restaurants", die meist
drei Gerichte anbieten: frittiertes Hühnchen mit Patacones,
frittierten Fisch mit Patacones und frittierten Fisch mit Reis. Hühnchen
gibt es selten, trotz großen Angebots an fangfrischen Kalamaren,
Oktopus und Langusten
ist man auch bei entsprechenden Wünschen noch nicht flexibel genug. Hinzu
kommt, dass nicht regelmäßig geöffnet ist. Am zuverlässigsten ist noch das
"Restaurant Poolbillard", vom Volleyballfeld die Straße links
parallel zur Küste nehmen. Hier verfügt man, wie in dem "Restaurant"
am Hauptanleger / Volleyballplatz, auch über elektrisches Licht (bis etwa 22
Uhr), so dass man nicht gezwungen ist, vor Sonnenuntergang (kurz nach 18 Uhr) zu essen. Außerdem
gibt es hier Stühle und, wie der Name schon verrät, einen Billardtisch! Die
Küche besteht aus zwei Gasbrennern, die vor der großen Bambushütte auf einen Tisch
gestellt werden, die rohen Zutaten stehen in mehreren Schüsseln verteilt.
Patacones sind speziell zubereitete Kochbananen und typisch für Panama. 3-4 cm dicke Scheiben werden mit dem Boden einer Limonadenflasche
flachgedrückt und dann einige Minuten in siedendem Öl frittiert. Dazu gibt es
frittierten Fisch, wobei wir uns aussuchen dürfen, ob wir die Köpfe oder
andere Teile bevorzugen. Als einziges Gewürz dient eine höllisch scharfe Chilisauce,
die wir nach dem Probieren winziger Mengen mit tränenden Augen dankend
ablehnen. Alle amüsieren sich darüber, das scheint man zumindest schon zu
wissen: Touristen wissen Köstlichkeiten nicht zu schätzen. Elektrizität! Das bedeutet Luxus und einen Kühlschrank mit kaltem
Bier! Dafür zahlen wir mit 70 cents genau so viel wie für unser Abendessen.
Früh am Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, bewegt sich etwas nur wenige Zentimeter von meinem Kopf entfernt. In der Nachbarhütte ist man wachgeworden und die steht so dicht neben der unsrigen, dass man sich nicht einmal durch den Zwischenraum bewegen könnte. So werden wir Zeugen, zumindest akustisch, wie sich so ein familiäres Indio-Frühstück anhört: leise, außer Geschirrklappern hören wir nur Schlürfen und Schmatzen. Im Anschluss lernen wir dann auch noch ein Kinderlied, das die Mutter ihrem Nachwuchs äußerst geduldig und liebevoll beibringt.
...
Tengo, tengo, tengo, do tengo, tengo yo ...
Foto: © Nadine Martin, Bonn
Wir wollen schnorcheln. Ein Problem stellt das Kanu dar, denn alle Männer sind
mit den einzigen hiesigen Transportmitteln bis zum frühen
Nachmittag unterwegs zur Arbeit. Sporadischer Tourismus ist keine sichere Einnahmequelle
für sie. Aber wir haben Glück. Fabio kennt einen Freund, der einen Freund
kennt und dieser weiß wo jemand ein Einbaum hat. Drei Dollar und
wir sind unterwegs. Eine gute halbe Stunde benötigen wir in dem
gewöhnungsbedürftigen, wackligen Gefährt,
um eine nördlich von Playón Chico liegende kleine Insel zu erreichen. Ein Indio
würde die Strecke in nicht einmal 15 Minuten schaffen, aber der Umgang mit dem schweren
Einhandstechpaddel will gelernt sein. Auf dem winzigen Eiland finden wir neben
46 Palmen noch einige, für hiesige Verhältnisse luxuriöse Bambusunterkünfte, die von
einer nahe
gelegenen Hotelinsel bewirtschaftet werden, aber die meiste Zeit leer stehen.
Außer
uns gibt es keinen Menschen weit und breit und wir genießen die idyllische Ruhe
am kleinen Sandstrand.
Zur Hauptinsel hin liegt ein breiter Seegrasgürtel, der von einigen Korallen
weiter außerhalb unterbrochen wird. Zu den ersten Trophäen beim Schnorcheln gehört eine
Leopardenmuräne und ein kapitaler Barrakuda. Zur
offenen See und der benachbarten Insel hin gibt es einen kurzen schmalen Kanal,
der auf etwa 10 Meter Tiefe abfällt und einen sandigen Grund hat. Dies könnte
eine Stelle sein, wo auch eine Chance auf kleine Haie bestehen könnte.
Beidseitig verstecken sich tagsüber in den Schlupfwinkeln der Korallenstöcke Langusten
und Langustinos, die von einheimischen Schnorchlern gesucht werden. Mit einem 1½
m langen Bambusstab, an dessen Ende sich ein Zugschlinge befindet, tauchen sie bis
auf den Grund und ziehen im Erfolgsfalls die Schlinge ruckartig um die Beute zu.
Dabei sind sie so erfolgreich, dass der Häuptlingsrat eine Verordnung beschloss, wonach den Tieren eine dreimonatige Ruhepause zur Regeneration
zugestanden wird, die bei Nichteinhaltung drastisch sanktioniert wird.
Am späten Nachmittag vertreiben uns dann schließlich kaum sichtbaren
Quälgeister. Es sind leishmanioseübertragene
Sandmücken und wir beschließen
eine weitere Schnorcheltour zur Hotelinsel Sapibenega,
etwa 1.5 km westlich. Nadine hat Blasen an den Händen und wir haben wieder Glück. Fabio kennt einen
anderen Freund, der einen Vetter kennt und dieser weiß wo jemand einen 15 PS - Yamaha -
Motor hat. Ein paar Limonadenflaschen Diesel
lassen sich einfacher besorgen. Dies alles kostet zwar 5 $ mehr, uns aber keine
Anstrengungen und zudem ist es blasenschonend. Zwischen der Haupt- und naheliegenden Schwesterinsel
erstreckt sich auf der Festlandseite hin ein uninteressanter Seegrasgürtel. Zum
offenen Meer gibt es zwar Brandung, die aber durch die vorgelagerten Inseln
stark abgeschwächt ist. Schwierig ist und bedarf der Erfahrung das Korallendach
bei Niedrigwasser im Übergangsbereich zu überwinden. Danach öffnet sich ein
meist flach abfallender Korallenhang, bis auf eine Tiefe von etwa 13 Meter, der
sich bis zur Nachbarinsel erstreckt. Sandstrände fehlen, dadurch ist die Sedimentation sehr gering, die
Sicht entsprechend wunderbar klar. Hier lassen sich neben Kalamaren
und Muränen auch eine Vielzahl von Korallenfischen, Grundeln und Schnapper
sehen.
Trotzdem bleibt die Fischwelt in der Quantität eher gering.
Allerdings besteht auf Grund der Lage die Chance auf Großfische.
Schmucklanguste 10 Foto: © Muskan, cuesta@gmx.net |
Sepie 53 Foto: © Muskan, cuesta@gmx.net |
Die Sicht lag im besten Falle, natürlich punktuell sehr unterschiedlich und
abhängig von der Entfernung zu Sandstränden, bei vertikal 10 m klar / 15 m diffus
und manchmal horizontal über 15 m klar.
Die Unterwasserwelt wird im Flachwasserbereich dominiert von Seegraswiesen (Thalassia
testudinum), stellenweise die rasenbildende Koralle Poritis
poritis und astreoides, sowie Rot- und Braunalgen.
Den Hauptanteil der Korallen stellen Millepora complanata, auch einige Hirnkorallen
(Collophyllia natans, Diploria labyrinthiformis, D.
strigosa und clivosa), sind anzutreffen, Montastrea-Stöcke
(annularis und cavernosa) finden sich in größeren Tiefen.
Im Unterschied zu Bastimentos im
karibischen Nordpanama sind die massiven, rotbraunen halbkugelförmigen
Korallenstöcke der Siderastrea
siderea, die bis in den Bereich des Ebbeniedrigwassers wachsen, eher selten.
Sie bilden oft typische "Mini-Atolle" mit einem ringförmigen Wulst
lebender Korallenpolypen und einem zentralen abgestorbenen Plateau. Ferner findet
sich die Rosenkoralle Meandrina meandrites und etliche Seeigel (Echinonetra
lucunter). Porolithon pachydermun (Kalkrotalgen) überwächst
viele, vor allem in den durch die Abwasserfahne des Städtchens abgestorbenen
Korallenbereichen. In Strömungsbereichen bildet die Geweihkoralle Acropora
cervicornis gelegentlich größerflächige Bereiche, auch einige Tischkorallen
(Acropora spicifera oder palmata) scheinen diesen Lebensraum zu
bevorzugen.
Nachdem die Abwechslung der letzten Abende aus Fisch mit Reis, dann Reis
mit Fisch bestand, unser Wunsch nach einer Portion Oktopus oder Kalamare trotz
reichlichem Fang nicht umgesetzt werden konnte, beschließen wir uns selber
etwas zu basteln. Mit Fabios Hilfe
können wir neben einigen gut aussehenden, preiswerten Fischleichen zwei lebende
Langusten erstehen, das Kilogramm
zu etwa sieben Dollar. Vollkommen unerwartet zieht der eingeborene Fischer plötzlich
einen hochmodernen Solartaschenrechner hervor - um den Differenzbetrag zu unserem
20 $ - Schein zu
errechnen. Für einen weiteren Dollar köchelt unsere Nachbarin die
Köstlichkeit. Eine Beilage, und da gibt es alternativ zu Reis und
Patacones nur das
hiesige leckere, mit Kokosnussöl gebackene Brot, das in einigen Töpfen vor
irgend einer Hütte feilgeboten wird. Damit ist natürlich
das Problem von Tisch und Stuhl noch nicht gelöst. Dies ist in der
Hütte von Fabio noch nicht, und wohl auch in absehbarer Zeit nicht vorhanden
und bedarf einer wohlausgefeilten Logistik.
Ist sowohl die Petroleumlampe in
Betrieb als auch der Tischersatz wackelsicher aufgestellt, der dampfende Kochtopf
serviert, darf das Mahl beginnen.
Aber halt, wie öffnet man eine Languste mit den bloßen Händen? Besteck ist
keines vorhanden, das
Leatherman-Tool mit der tollen Zange hat man mir am Flughafen abgenommen und
trotz der Zusicherung des Piloten "Don't worry, tomorrow with the next plane" auch nicht
mitgebracht. Irgendwann kapitulieren auch meine platingestützten Keramikzähne,
die Finger sind an den spitzen, allgegenwärtigen Dornen blutig gestochen und ich um die Einsicht
erweitert, dass auch eine tote Languste eine gute Languste ist und sich noch
postmortal zur Wehr setzen kann. Nadine findet ein wohlgewichtiges Holzbrett -
Steine sucht man auf der ganzen Insel vergeblich - und schlägt damit
die Beinchen und Fühler zu Brei, um an das leckere Innenleben heran zu kommen.
Fabio vergustiert mittlerweile die von uns verschmähten Köpfe und ich
habe es endlich geschafft an das Edelste heranzukommen. Ein gutes Pfund
rosaweißen, reinstes Muskelfleisch liegt in meinen Händen, nie wieder werde
ich einen derartig riesigen Langustenschwanz in die Finger bekommen, höchstens zu dem
zwanzigfachen Preis. Noch kurz entdarmt und ich mampfe mich trotz zunehmender
Sättigung tapfer durch das leckere Teil hindurch, bis auch der letzte Rest in
den geheiligen Hallen des gastralen Trakts meines Astrallaibs weilt und der weiteren Verwertung
entgegensieht.
Rüülps, pardon, das waren Auswirkungen der letzten Dose lauwarmen Panamabieres.
Fisch mit Brot
Foto: © "Nik"Klaus Polak
Mittlerweile hat sich ein halbes Dutzend schaulustiger Erwachsene und doppelt so viele Kinder
eingefunden, letztere auf einer logarithmischen Skala neugierig. Alle beobachten auf
Tuch- und Hautfühlung, wie wir stilecht unsere Finger mit Limonen säubern,
folgt unseren Lippen bei der offenkundig außerirdischen Sprache, sehen uns mit
offenem Mund beim Aufräumen zu, möchten am liebsten anschließend das
Taschentuch sehen, mit dem wir uns die Nase putzen, äugen interessiert in
unser Kauderwelsch-Büchlein
"Spanisch für Panama", erwidern leicht verschämt, dann doch belustigt
unsere eigenen forschenden Blicke. Wäre da nicht die unsichtbare Barriere "Tür",
würde man wohl auch aufs Klo folgen. Zum xten Male müssen wir unseren Namen
verraten, ich habe gelegentlich den Eindruck, dass immer die gleichen Kinder
fragen. Auch
ob wir verheiratet sind, Kinder haben und woher wir kommen, weckt das Interesse.
Vermutlich liegen für sie aber Deutschland und Frankreich irgendwo in der Nähe
von New York oder auf dem Mond, was schließlich das Gleiche ist.
Der Topf ist nach Übergabe an die Kinder und kleinen Rangeleien um
Langustenbeine und Fischköppe alsbald
klinisch sauber - wenn auch die abgenagten und ausgelutschten Reste in der Gegend verstreut
liegen und den Ameisen zum Mahle dienen. Topf, "Tisch" und den einzigen Stuhl müssen wir am nächsten Tag zurück
geben, in der Hütte nebenan schläft man bereits.
Schließlich ist es wie überall auf der Welt: als die
Grundbedürfnisse befriedigt sind, verdunstet nach und nach die Ansammlung. Man
lässt uns alleine zurück, auch Fabio ist jetzt müde. Die Milchstraße glitzert, die
Mondsichel lächelt, Wetterleuchten blitzt schemenhaft am nächtlichen Horizont,
irgendwo dahinter verrenkt man sich jetzt gerade den Kopf nach dem Mars,
denn der ist zur Zeit so nahe zur Erde, wie nur alle paar Hundert Jahre
einmal, und das will sich keiner entgehen lassen. Wir verrenken uns eher den
Kopf um durch die bauchnabelhohe Tür in unsere Hütte zu gelangen. Für uns wird es
Zeit die Hängematten zu richten, eine Notbeleuchtung aufzustellen, alles
mäuse- und ameisensicher zu aufzuhängen, um dann von riesigen Steaks, Pizzas und Snickers, für uns
Lichtjahre entfernt, zu träumen.
Unsere Nachbarn sind ein inzwischen gewohnte Wecker, den
Sonnenaufgang bekommen wir mangels Fenster sonst nicht mit.
Wir wollen heute mit unserem motorisierten Einbaum etwa drei Kilometer östlich der
Hauptinsel einen Fluss hinauffahren und einen Dschungeleindruck gewinnen. Nach
den üblichen Besuchen bei Fabios Freunden und deren Vettern geht es bald vorbei
an Mangrovendickichten Richtung
Flussmündung. Kaum haben wir diese durchfahren, werden wir von dichten
Dschungelwänden am Ufer empfangen.
Wer erstmals diese Begriffe hört, dem fallen Schwüle, Hitze, Affen, wilde
Tiere und steinzeitliche Eingeborene, sowie Tarzan & Jane ein. Wilde Tiere
bekommt man jedoch fast nie zu sehen. Sie lassen höchstens einmal ein Rascheln
auf der Flucht zu hören - man gehört einfach nicht in ihr Beuteschema und
betrachten sich selber als Gejagte. "Unfälle"
mit ihnen sind eher "Irrtümer" der Tiere, die glauben keinen anderen
Ausweg mehr zu wissen. Nicht unbedingt ein Trost für Betroffene, aber eine
gewisse Beruhigung für den Sonntagsspaziergänger aus den aufgeräumten nordeuropäischen
Forsten. Viel größer ist die Gefahr erschlagen zu werden:
durch ohne Vorwarnung unter der Last von Lianen, Farnen und Orchideen umstürzende
Bäume, kilogrammschwere Früchte, abbrechende Äste oder Farnbüschel, die als
Epiphyten auf Ästen in den Baumkronen ihr Dasein fristen. Relativierend muss
man sagen, dass es erheblich gefährlicher ist, während der Rushhour in Potsdam
unterwegs zu sein.
Epiphyten
Foto: © "Nik"Klaus Polak, Bonn
Der Begriff "Dschungel", der oft als Synonym für
"Regenwald" gebraucht wird, stammt ursprünglich aus dem Sanskrit:
"Jangula"
bezeichnet ein undurchdringliches Dickicht. Undurchdringliche Vegetation findet
man hingegen viel eher in den ursprünglichen (!) Mischwäldern Mitteleuropas mit
ihrer ausgeprägten Strauchschicht. Nicht dass der Regenwald gerade ein
erstklassiges Terrain für eine Radtour wäre, aber man kommt doch recht gut zu
Fuß voran, ohne die ganze Zeit mit einer scharfen Machete herumfuchteln zu müssen.
Im Wald
selbst oder an seinen Rändern erkennt man, dass der Dschungel durch eine
Aufteilung in verschiedene Stockwerke geprägt ist. Die Kronenregion ragt bis zu
40 m Höhe auf. Sie wird vereinzelt von Baumriesen (Überständer) durchbrochen, die bis in 70 m
Höhe reichen können. Eine zweite Baumschicht bildet ihre Kronen in 30 m, die
dritte und niedrigste Schicht in 10 m Höhe. Eine Strauchschicht fehlt oft völlig,
die Moos- und Krautschicht ist in der Regel spärlich. Erklärbar ist dies durch
die geringe Sonneneinstrahlung, die den Boden erreicht. In diesen unteren
Bereichen kann sich nur auf Lichtungen, steilen
Berghängen oder an Flussläufen eine üppige Vegetation entwickeln. Während
wir am Uferrand entlang tuckern, fliegen über uns Aras, bewegen sich kleiner Horden von Kapuzineraffen, grüne
Leguane (der Schwanz ist eine Delikatesse wie man uns versichert), Faultiere 2,
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(unser Führer verzieht das Gesicht, was wohl heißen soll, kommt nur im Notfall
auf den Tisch)... und Schlangen (ich bemerke seinen Blick, der auf einen Gourmet
zu verweisen scheint).
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Plötzlich versagt der Motor, wir sitzen fest. Alles gute Zureden, zig Startversuche helfen nicht. Der Treibstoff ist nach Meinung unseres Bootsführers anscheinend gepanscht, wir müssen uns per Muskelkraft behelfen. Allerdings sind nur zwei Einhandpaddel vorhanden und das Boot ist schwer und scheint mit jedem weiteren Meter schwerer zu werden. Mit Mühe umschiffen wir die Untiefen, erreichen die Mündung, geraten in den Brandungsbereich und versuchen in dem schmalen Einbaum die Balance zu halten. Jede Bewegung bringt uns in gefährliche Schräglage und die Wellen wollen peinlichst genau ausgeglichen werden. Gut, dass Nadine auf die Idee kommt ihr Sitzbrett als Notpaddel zu nutzen, dafür sitzt sie nun in einer Suspension aus Öl, Diesel und Salzwasser. Der Bootsführer ist ununterbrochen mit Schöpfen beschäftigt, erstaunlich, dass er gleichzeitig paddeln kann. Langsam, sehr langsam geht es voran, bis wir in einer ungefährlichen Dünung parallel zu Küste geraten. Nach einer Stunde zeigen sich unter uns Korallenstöcke. Warum mühsam die unhandlichen Stechpaddel bewegen, wenn wir auch schnorcheln können? Wir ziehen unsere Flossen an, nehmen Brille und Schnorchel und lassen uns zugleich in das 28°C warme Wasser fallen. An der Ankerleine ziehen wird das Boot hinter uns her, während unsere beiden Begleiter tatkräftige Unterstützung geben. Immerhin haben wir für kurze Zeit unseren Spaß, dann müssen wir wieder einsteigen, die Abwasserfahne des Dorfes macht sich überdeutlich bemerkbar, es dümpelt so einiges Unappetitlich vorbei. Gut zwei Stunden haben wir zurück gebraucht, für eine Strecke, die auf dem Hinweg knapp 20 Minuten gedauert hat.
Am Abend sitzen wir in der Dunkelheit am Bootsanleger und lassen den Tag
ausklingen. Da sonst nichts auf der Insel unternommen werden kann, schauen wir
den rauchenden Männer am Kai neben ihrem Boot aus
Kolumbien zu und spekulieren leise, was wohl an Bord zwischen den Bananen,
Kokosnüssen und anderen Waren zu finden wäre ... .
Plötzlich hören wir ein lautes Stimmengewirr.
Eine dunkle Menschenmasse bewegt sich auf uns zu. Frauen, Kinder und Männer schreien, pfeifen und kommen laufend aus dem Hauptpfad der Insel in unsere Richtung.
Die vordere Gruppe bildet einen engen Ring um einen ... Mensch? Werden wir
Zeugen einer Kulthandlung? Was geht hier vor? Ein Gefühl der Unsicherheit ergreift uns, wir tauschen
unsichere, fragende Blicke aus.
Der Strom der Menschenmasse zieht über den unbeleuchteten Platz einige Meter an uns vorbei. Andere kommen, vom Lärm
alarmiert und angelockt, aus finsteren Pfaden und Hütten heraus, alle verschwinden hinter einem Gebäude in die Nacht. Neugierde und Furcht
sind gleich groß.
Der Gedanke, dass vielleicht jemand gelyncht wird, lässt Nadine nicht los. Sie versucht sich mit
einigen Wörtern Spanisch, mit Händen und Füßen bei scheinbar scherzenden
Indio-Frauen zu
erkundigen, die sie
verschwörerisch durch ihren
"Tante-Kuna Laden" zur Hintertür ziehen. Um die Ecke steht die Menschenmasse im elektrischen Licht eines Gebäudes. Da die Kunas relativ klein sind, kann Nadine über
ihre Köpfen hinweg
sehen: hinter einer Art Saloon-Tür und einer niedrigen Mauer sitzt ein dürrer Mann auf dem kahlen Boden einer überdachten Terrasse. Ein ernst wirkender
Mann bindet dem Festgenommenen die Hände hinter dem Rücken und die Füße.
Die Menge schaut sich das Ganze an, teilweise erschrocken, teilweise lachend, sodass
sie die Lage nicht einschätzen
kann. Nach kurzer Zeit ziehen sich alle plaudernd und offensichtlich erleichtert zurück.
Zurück zum Bootsanleger rätseln wir über die Beobachtungen.
Noch vor Sonnenaufgang sorgen unsere Nachbarn wie immer für das rechtzeitige
Aufstehen. Es gilt
die Rucksäcke zu packen. Dabei erfahren wir von Fabio, was gestern Abend
vorgefallen war. Der
dürre Mann, den Nadine sah, ist Familienvater und hatte unter Einfluss von Kokain und Alkohol sein Kind erwürgen
wollen, wurde von
Nachbarn gehindert und zur Polizeistation gebracht. Auf unserem Weg zur
Landepiste sehen wir
ihn ohne
Handschellen, begleitet von einem uniformierten Polizisten durch das Dorf gehen.
Wohin, wozu? Wir können es nicht mehr in Erfahrung bringen und warten auf die 7-Uhr-Maschine aus Panama-City.
7.10, 7.20, 7.30., 7.40 Uhr ..., nichts rührt sich. 8.00, 8.10 Uhr, ... dann hören wir entferntes
Propellergeräusch. Ein Aufatmen, dann die Enttäuschung: es ist
nur der Postbote. Eine plötzlichen Eingabe und mutige Frage hat drei Minuten
später zur Folge, dass uns
der Pilot direkt hinter sich in seiner sechssitzigen Maschine mitsamt unseren
Rucksäcken verstaut und ab geht es. Nach einem Ticket wird gar nicht erst
gefragt, wer hierher kommt, hat offensichtlich auch immer einen Retourschein in der Tasche. Auf unseren
Wunsch hin wackelt er zum Abschied unseren Gastgebern nochmals mit den Flügeln
zu, dann sind wir auch schon über dem dichten Regenwald Richtung Panama-City
unterwegs.
Der Landeanflug auf den nationalen Flughafen führt über die
Nord- und Südamerika verbindende Interamericana-Brücke, die den Panama-Kanal (linke
Sitzseite am Fenster wählen!) quert.
Brücke über den Panama-Kanal
Foto: © Nadine Martin, Bonn
Nur drei Stunden nach unserem Abflug aus dem Indio-Dorf sitzen wir am Pool unseres Hotel im 7. Stock und blicken auf die Skyline der Bankenmetropole Panama-City. Morgen soll es weiter nach Costa Rica gehen und ich möchte noch unbedingt einen Panama-Hut kaufen, aber einen echten, nicht den aus Kolumbien, den alle Welt fälschlicherweise für DEN "Panama-Hut" hält. So gehen wir nach der Erfrischung in die Fußgängerzone und treffen dort Kuna-Frauen, die selbstbewusst molas verkaufen ... .
Der Flug in den Archipel mit Aeroperlas, dem zuverlässigsten Anbieter, kostet ab dem nationalen Flughafen in Panama-City 75 $ (Retourticket). Bei den Ankunftsflughäfen sind bis zu 4 $ Flughafengebühr fällig. Reservierung 507315888, info@aeroperlas.com.
Panama liegt, hält man sich an ortsübliche Unterkünfte und Restaurants,
etwa 20 - 40 % unter den €päischen Preisen, internationaler Standard ist
inzwischen überall auf der Welt ± gleich teuer. Im Archipel schwanken die Preise
je nach Art der Region. Hotelinseln bieten Unterkünfte ab 40 $ / Tag, in den
Indiodörfern zahlt man für die Hängematte in einer primitiven Hütte 5 $.
Überall muss ein Zuschlag für den Transport westlicher Waren - wenn überhaupt
vorhanden - eingerechnet werden.
Es existieren mehrere kleine Läden und Kioske, in denen ein Minimum an
Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen angeboten wird. Die Versorgungsmöglichkeit vor Ort ist
aber allgemein sehr stark eingeschränkt,
Trinkwasser in Flaschen aber vorhanden. Einen gewissen Zuschlag für den
Antransport hatten wir zwar erwartet, aber leider versuchen die Einheimischen recht
unverschämt noch höheres Kapital herauszuschlagen. Die Preise können um 100% variieren,
Vergleiche lohnen also durchaus. So werden an der "Hauptstraße", die
die Insel von West nach Ost durchzieht, für 0.5 l Wasser 1 $, in dem Geschäft
unterhalb des temporären "Restaurants" neben dem Hauptbootsanleger für 1.5 l nur 1.75 $ verlangt! In dieser Phase des Tourismus
ist es leider bei fast jedem Kauf empfehlenswert, einen orts- und preiskundigen Guide
bei sich zu haben, insbesondere wenn das eigene Spanisch, wie bei uns, mehr als
mangelhaft ist.
Den Kuna-Indio Fabio trifft man in David im zentralen Parque Cevantes. Einfach irgend jemanden dort auf ihn ansprechen oder Mobil 5022723, E-Mail niskua@hotmail.com.
© "Nik" Klaus Polak
seit 2/2003 als freier Journalist auf Weltreise
www.nikswieweg.com
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