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© "Nik" Klaus Polak
seit 2/2003 als freier Reisejournalist auf Weltreise
www.nikswieweg.com

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Bei den Kuna-Indios in Panama

Text: © "Nik"Klaus Polak, Bonn, Germany
übrige Fotos: © gekennzeichnet

zum Archipel San Blas (Kuna Yala)

Panama ist die Brücke zwischen zwei Ozeanen, zwei Kontinenten und verschiedenen Welten. Fast doppelt so groß wie die Schweiz werden nur 2.5 Millionen Einwohner gezählt. Die beste Reisezeit zur karibischen Küste ist Januar bis März / April ("Trockenzeit") und Ende Juli bis September während der "kleinen Trockenzeit". Allerdings haben auch hier die weltweiten Klimaänderungen zugeschlagen, nicht mal mehr auf die "Regenzeit" ist so richtig Verlass. Als offizielle Währung dient der amerikanische Dollar. Nach Panama fliegt u.a. American Airlines, British Airways, Iberia plant ab Anfang 2004 sogar einen Direktflug ab Madrid.

Eine Kette aus etwa 360 Inseln und Inselchen in der karibischen See vor der südöstlichen Küste Panamas, die sich ca. 180 km bis zur kolumbianischen Grenze hinzieht, bildet der Archipel San Blas. Sie und die Küstenregion werden von etwa 25 000 Kuna-Indios bewohnt. Die Kuna haben der Unterwerfung durch die Zentralregierung in blutigen Auseinandersetzungen getrotzt, die schließlich 1925 in einem Aufstand gipfelte. Obwohl 1930 ein politischer Vergleich geschlossen wurde, mussten die Indios noch jahrzehntelang kämpfen, bis schließlich das semiautonome Gebiet Kuna Yala etabliert war.
Dieses Gebiet ist durch geographische Barrieren isoliert, daher fast ausschließlich aus der Luft mit kleinmotorigen Maschinen oder über den langwierigen, logistisch nicht einfachen und teureren Seeweg zu erreichen und auch aus diesem Grunde vom Massentourismus noch weitgehend verschont. Dadurch konnten sie sich ihre Traditionen überwiegend bewahren, stehen allerdings den westlichen Errungenschaften gegenüber offen, soweit sie mit ihrer Lebensweise vereinbar sind. Ähnlich wie auf den Malediven grenzen sich die Einwohner recht stark gegen Überfremdung ab. Es gibt Hotelinseln wo Touristen erwünscht sind, in die anderen Gebiete gelangt man fast ausschließlich durch persönliche Kontakte.

Wir kommen gerade aus Costa Rica und bummeln an der nördlichen Pazifikküste im zentralen Parque Cevantes von David, der drittgrößten Stadt Panamas. Dort treffen wir auf den jungen Kuna-Indio Fabio. Er ist seit vielen Jahren zusammen mit seiner Mutter und anderen Familienmitgliedern in David und verkauft dort selbstgefertigtes Kunsthandwerk. Trotz langer Entfremdung oder vielleicht gerade deswegen sucht er immer stärker nach seinen Wurzeln und schreckt auch nicht davor zurück, seine ambitionierten, zukunftsweisende Visionen vor den Dorfobrigkeiten auf seiner Heimatinsel lautstark zu Gehör zu bringen. Es würde mich nicht wundern, wenn er, bei gesteigertem diplomatischen Geschick, selbst einmal die Leitung des Dorfes in die Hand nehmen würde. Zu wünschen wäre es ihm, allein mir fehlt der Glaube, bei solch "radikalen Vorstellungen" wie "... nieder mit dem Kokain, mehr Bildung für unsere Kinder ... ". Wie überall wird vermutlich auch hier die Verlockung des "Modernen" seine Utopie zerstören.

Nach längerem Gespräch bietet er uns einen mehrtägigen Ausflug in sein Heimatdorf an. Englisch wird dort nicht verstanden, Tourismus ist unbekannt, ein Führer ist daher unverzichtbar. Allein schon, um eine private Unterkunft zu finden, denn es gibt keinerlei touristische Übernachtungsmöglichkeiten auf seiner Insel! Dafür wird das originäre Leben der Kuna-Indios mitgelebt.


Alles rattensicher aufhängen!
Foto: © Nadine Martin, Bonn

Die genauen Bedingungen der Entlohnung sollten vorher abgesprochen werden. So kostet zwar die Unterkunft in seiner primitiven Hütte nur fünf Dollar pro Person, er erwartet aber unausgesprochen die komplette Reisekostenerstattung incl. Flug bzw. Busfahrt ab und nach David. Ansprüche an ein gefliestes Badezimmer, kakerlaken- oder mausfreies Areal, eine eigene Toilette oder gar Dusche darf man nicht stellen. Die geduckte, palmblattgedeckte Bambushütte mit bauchnabelhoher Tür verfügt über einen gestampften Lehmboden, drei Quadratmeter großem "open-air-Bad" mit Korallenschutt als Sickermaterial, immerhin eine (fast) permanent funktionierende Wasserleitung mit einem 10 l - Eimer, Hängematten und dem "Schrank" Marke Eigenbau. Da fast im gesamten Dorf keine Elektrizität vorhanden ist, Polizei, Krankenhaus und eine Handvoll Privathäuser sind noch die Ausnahme, stammt das einzige Licht aus einer Petroleumfunzel, ein Fenster ist nicht vorhanden. "Privatsphäre" stellt sich nur nach Schließen der Hütte ein. Immerhin hat sie von außen ein Schloss, von innen wird sie mit einem umgebogenen Nagel gesichert. Wer auf all dies eingestellt ist und seine Ansprüche reduzieren kann, für den ist es ein - wenn auch schwieriges - Erlebnis! (Siehe auch eine ernüchternde GEO-Reportage! Sie stammt von 1977, wir können allerdings viele der dort angesprochenen, eher negativen Seiten prinzipiell - wenn auch in abgeschwächter Form - bestätigen.)
Aus diesen Gründen empfehlen wir vorläufig alle Regionen der Kuna-Indios, die KEINE Hotelinseln sind, nur mit einem kundigen und einheimischen Guide zu betreten. Spanischkenntnisse sind äußerst vorteilhaft. Wie wir feststellen mussten, sind einige persönliche Dinge unbedingt mitzunehmen. Dazu können gehören: Filme, Hygieneartikel, (Fleisch-)Konserven, (Taschenlampen)Batterien, Sonnenschutzmittel, spezielle Medikamente, Alkoholika, Zigaretten (es gibt z.Z. nur einheimische Mentholzigaretten) etc. pp.. All dies ist auf der Insel gar nicht oder nur sehr selten erhältlich!! Ferner sollte man an Repellents denken, weniger gegen Moskitos, als mehr gegen die temporär auftretenden, sehr lästigen Sandmücken (pan. "chitras") vom späten Nachmittag bis frühen Abend. Malaria, Dengue und Leishmaniose treten allerdings selten und eher im Dschungel und den Mangrovengebieten der Küsten- und tieferen Bergregionen auf.
Es existieren mehrere kleine Tante-Kuna-Läden und Kioske, in denen ein Minimum an Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen angeboten wird. Die Versorgungsmöglichkeiten vor Ort sind sehr stark eingeschränkt, Trinkwasser in Flaschen aber vorhanden. Ich möchte dies hiermit nicht dramatisieren, aber wer als "Normaltourist" hier eintrifft sollte vorgewarnt sein, erfahrene Globetrotter können ihre entsprechenden Vorbereitungen treffen und sich adäquat einstellen.

25 Libra (= 12.5 kg) sind Freigepäck, Handgepäck ist nicht erlaubt, pro zusätzlichem Kilogramm sind ein Dollar zu zahlen, also stopfen wir uns die Hosen- und sonstigen Taschen voll, denn alleine ich habe 26 Kilogramm dabei. Anschließend kommt jeder Passagier auf die Waage, Übergewicht muss allerdings nicht bezahlt werden.
Die Flüge sind regelmäßig unregelmäßig und richten sich in erster Linie nach dem Wetter (weswegen der Flug um 6.10 Uhr noch am ehesten stattfindet), dem Passagieraufkommen und vermutlich dem Stromverbrauch in Südkamtschatka abzüglich der Lottozahlen in Uruguay. Der Einsatz großzügiger zwanzigsitziger Flieger ist nicht immer an der Tagesordnung, oft sind es nur sechssitzige Grashüpfer.
Je kleiner das Flugzeug, je später der Tag (aufkommende tropische Thermik) und je ruppiger das Wetter (besonders in der Regenzeit), desto lustiger der Flug - zumindest für die Genießer von Achterbahnen; alle anderen sollten Augen und Mund besser geschlossen halten. Allerdings verpasst man dann die grandiose Kulisse, wenn die agrarische Küstenregion der Pazifikseite verlassen und die dschungelbedeckten Kordilleren überflogen werden. Eine dichte grüne Baumkronendecke verwehrt jeglichen Blick auf den Boden. Kein Wunder, dass hier schon so manches Kleinflugzeug nie wieder gefunden wurde, Trekker verschollen sind und so manche Indios noch nie Kontakt mit der westlichen Zivilisation hatten. Erst kürzlich wurde wieder ein unbekannter Stamm "entdeckt".
Schon nach halbstündigem Flug ist die karibische Küste (linke Flugzeugseite am Fenster wählen) zu sehen, unter guten Wetterbedingungen auf der anderen Seite noch die pazifische. Es breitet sich eine Perlschnur von kleinen und kleinsten Inseln und Riffen aus, bei denen jedem Schnorchler schon das Salzwasser im Munde zusammenläuft.
Abenteuerlich
wird es bei den Landungen, denn viele Pisten besitzen nur an dem "Aufschlagpunkt" einen kurzen Betonstreifen, dann geht es hoppelnd über die Grasnarbe weiter, bis vor dem "Flughafengebäude" - oft nur eine bessere Bambushütte - mit laufendem Propeller gehalten wird. Der Pilot hat alle Mühe, dass seine Kiste nicht mit Päckchen und Paketen für die Nachbarinsel überladen wird. Zusätzlich wird ihm noch ein Kind entgegen gehalten und nach dem Motto aufgedrängt: "Kannste die nich' mal zur Omma auf der Nachbarinsel mitnehmen? Die Kleine wiegt ja noch nix." Dass an seinem Seitenfenster geklopft und ein Packen Briefumschläge hereingereicht wird, ist allerdings normal.

Ohne Rücksprache mit dem Tower, denn den gibt es nicht, wird je nach örtlicher und zeitlicher Bedingung mal gegen den Land- oder den Seewind gestartet. Einziger Orientierungspunkt ist ein Fähnchen, bei größeren Pisten auch mal ein echter Windsack. Gegen den Landwind heißt die Kiste möglichst rasch hochziehen, denn schon kurz nach dem Abheben beginnen die ersten Hügelketten, so dass im Zweifelsfalle kurvenreich durch die schmalen Täler und über Kammsättel Höhe gekratzt werden muss.
Man hat den Eindruck in einem fliegenden Bus zu sitzen, in der Luft erkundigt sich der Pilot über die Schulter, wo er - bitte schön - seine Fluggäste absetzen soll. Nach einigen Zwischenlandungen und gut 1½ Stunden reiner Flugzeit ist schließlich die Geburtsinsel unseres Führers und Übersetzers Fabio erreicht.

Playón Chico, in der Kuna-Sprache Ukupseni genannt, ist ein Oval mit der größten Halbachse von ca. 2 km und wird von etwa 3000 Indios bewohnt, Tendenz trotz hoher Kindersterblichkeit exponentiell steigend. Obwohl einige Verhütungskampagnen gestartet wurden, ist der ungebremste Kinderzuwachs auf Schritt und Tritt zu spüren. Nur noch wenige Quadratmeter stehen für neue Hütten zur Verfügung. Einige wenige Steinhäuser der Behörden, des Krankenhauses, der wenigen Wohlhabenden und der ungewöhnlich vielen Kirchen, die ihr Geld offensichtlich nicht besser verschwenden konnten, wirken deplaziert.
An der Hauptbootsanlegestelle herrscht ein reger Tausch- und Bargeldhandel mit fahrenden - oder sollte man sagen schwimmenden? - Händlern aus den nördlichen Bereichen Panamas sowie Kolumbiens. Es ist daher nicht erstaunlich, dass eines der wenigen Steinhäuser einem Kuna gehört, der offensichtlich für alle mit Kokain handelt, neben Alkohol das größte Problem der Indios, die sich bisher allenfalls bei Festen mit Palmwein und Marihuana berauscht hatten.


Playón Chico (Ukupseni)
Von links: Landpiste, eine zur Insel führende Brücke, unten Korallenriffe
Foto: © "Nik"Klaus Polak

Jeder Fremde ist zunächst den drei Kaziken (Dorfhäuptlingen) vorzuführen, sie entscheiden über das weitere Vorgehen, denn Touristen sind hier nicht gerne gesehen. Fabio hat sich damit einen Tag Zeit gelassen, was vielleicht ein Fehler war.
Als wir das riesige Gemeindehaus aus Bambus, gedeckt mit Palmwedel, betreten, müssen sich unsere Augen erst einige Minuten an den dunklen, fensterlosen Versammlungsraum gewöhnen. Zunächst sehen wir etliche Sitzreihen, dann taucht in der Mitte ein freier Platz auf, wo zwischen den tragenden Pfosten drei Hängematten aufgespannt sind. In ihnen räkeln und dösen die Dorfoberhäupter, über ihnen sind die Bilder der Vorgänger an einem Querbalken angebracht. Fabio bedeutet uns zu setzen und scheint unsere Vorstellung zu übernehmen. Man begrüßt uns nicht, wie wir das aus anderen, vergleichbar abgeschiedenen Teilen der Welt gewohnt sind, noch werden wir in irgendeiner Form angesprochen. Unser Spanisch ist schon schlecht, von der Kuna-Sprache haben wir in den wenigen Stunden nur einige Brocken gelernt. Und so geht die Unterhaltung vollkommen an uns vorbei. Keinen scheint es zu kümmern. Wir bekommen nur einige Andeutungen mit, die Fabio uns gegenüber schon in der letzten Zeit gemacht hat. Es fallen die Worte "Alkohol", "Kokain" und "Schule", alles andere bleiben Böhmische Dörfer für uns, außer dass verschiedentlich in unsere Richtung gedeutet wird, wobei uns etwas mulmig wird.
Abrupt und erkennbar erbost deutet uns Fabio nach 20 Minuten an, dass unsere "Vorstellung" beendet ist. Nadine und ich schauen uns unsicher an, wollten eigentlich einen freundschaftlichen guten Tag wünschen, uns nun zumindest verabschieden, und jetzt ... jetzt sollen wir ohne ein Wort, ohne eine freundliche Geste aufstehen und gehen? Es bleibt uns nichts anderes übrig, als Fabio konsterniert zu folgen, der uns nach einem längeren Rundgang erklärt, was vorgefallen ist.
Die Dorfoberen vermuteten, dass wir als touristischen Gäste auf der Insel weilen. Nur unter Vorbehalten wurden wir als seine privaten Freunde anerkannt, die für ein paar Tage seine Gastfreundschaft genießen, um das Dorfleben kennenlernen zu können. Offensichtlich ob recht eigenwilliger Touristen von einer Hotelinsel in der Nachbarschaft, fühlen sie sich in ihrer Semiautonomie beeinträchtigt, wenn kurzfristig kleine Gruppen einfielen, ungeniert in die Hütten und Kochtöpfe schauten, ohne zu fragen fotografierten und unter Preis kunsthandwerkliche Produkte aufkauften. Konsequenterweise ist uns ein Fotografier-, Video- und Tonaufnahme-, sowie ein Verbot kunsthandwerkliche Objekte zu kaufen erteilt worden. Die hier gezeigten Fotos sind daher vorher aufgenommen worden bzw. zeigen keine Einheimischen. In wieweit sich diese restriktive Politik künftig durchhalten lässt, bleibt fraglich. Das Grundansinnen mag gut gemeint sein, die Umsetzung bedarf allerdings noch einiges an Feinschliff.
Im Anschluss müssen wir vor allem den "fotografierhungrigen" und zuweilen darum bettelnden Kindern mit Händen und Füßen diese Auflage erklären. Auch die fast schon rührenden Angebote handwerkliche Gegenstände zu erstehen müssen wir leider ablehnen. Teilweise blutet uns das Herz. Zudem erfahren wir wieder einmal, wie ungeheuer wichtig es ist, die einheimische Sprache zu sprechen.


Idylle?
Foto: © Nadine Martin, Bonn

Ein Gang über die festgetretenen Erdstraßen des verwirrenden Dorflabyrinths zeigt uns ein einfaches aber offensichtlich zufriedenes Gemeinschaftsleben. Die meisten der verwinkelten Gassen wirken ärmlich und die Hütten erneuerungsbedürftig. Bettelnde Kinder haben wir allerdings nie erlebt, alle scheinen wohlgenährt. Von den wenigen Generatoren profitieren nur einige Nachbarn durch abenteuerlich verlängerte Stromleitungen. Dementsprechend gibt es keine Fernseh- oder Radioantennen und nur vereinzelt lärmende, batteriegespeiste CD- und Kassettenrekorder.
Überall werden wir von den Erwachsenen zurückhaltend beobachtet, manchmal auch mit einem kleinen Lächeln bedacht. Kinder nähern sich langsam, dann aber um so heftiger und sind wie überall in der Welt unsere ersten Kontakte. Von ihnen lernen wir auch die ersten Brocken der Kuna-Sprache, sonst wären wie total hilf- und "sprachlos".
Dicht an dicht
Foto: © Nadine Martin, Bonn

Die Dorfbewohner gehen unbeeindruckt ihrem üblichen Tagesablauf nach. Früh am Morgen begeben sich die Männer mit Einbäumen, teilweise schon mit Motoren ausgestattet, zum Fischen oder zur Feldarbeit auf das nahe Festland. Fast die gesamte Hausarbeit, hier herrscht noch die traditionelle Arbeitsteilung, findet auf den Wegen vor den Hütten oder in kleinsten Vorgärten statt. Frauen sind mit der Wäsche, dem Hausputz und den Vorbereitungen für das Essen beschäftigt. Getreide wird von Hand gedroschen, Fische ausgenommen und auf Gestellen getrocknet, überall stehen vor den Hütten dampfende Töpfe auf Gasflammen, sicherlich eine der größten Gefahren auf dieser Insel, wo die leicht entflammbaren Hütten nur eine Handbreit auseinander stehen.
Ebenfalls in Heimarbeit werden die molas gefertigt, einem einzigartigen Kunsthandwerk Meso-Amerikas. Dabei handelt es sich um eine Applikations-Stickerei, die ursprünglich und auch heute noch die Bluse der Frauen ziert. Diese Tracht ist in ihrer heutigen bunten Form erst ab 1950 entstanden. Die Vorläufer zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich vermutlich aus der bis dahin üblichen Körperbemalung statt -bekleidung - die die ersten Missionare förderten - entwickelt. Es gibt nicht nur traditionelle Motive, sondern auch umgestaltete Industrielabels, Kommentare zu politischen Ereignissen, sogar als Informations- und Lehrmedium werden sie verwendet (z.B. Motiv eines Kaimans, der ein Kind attackiert). In der Auseinandersetzung mit den USA in den 90iger Jahren erhielten die molas einen Status als panamesisches Identitätssymbol und haben sich spätestens seitdem auch in der Oberschicht des westlichen orientierten Panamas etabliert. Viele molas werden in Museen auf der ganzen Welt ausgestellt, im Alltagsleben gehören sie, neben den ebenso bunten unterschenkel- und unterarmbedeckenden Bändern, zum normalen Schmuck der kleinen, ungewöhnlich selbstbewussten Kuna-Frauen. Sie trifft man tagsüber in der Fußgängerzone von Panama-City beim Verkauf, zwei Tage später in ihren Hütten im Archipel. Vollkommen selbstverständlich nutzen sie für die Reise das Flugzeug.
Inzwischen begeben sich die ersten Kindergruppen in teilweise zerschlissenen, aber immer gepflegten Schuluniformen zu dem Schulgebäude auf dem Festland. Es ist in einem erstaunlich guten baulichen Zustand, die Qualität des Unterrichts soll allerdings jeder Beschreibung spotten. Verantwortlich dafür ist u.a. die geringe Entlohnung und entsprechende Demotivation der Lehrer, wie uns Ortskundige berichten. Außerdem sei nicht jede Familie in der Lage, das Schulgeld aufzubringen.
Frappant ist jegliche Abwesenheit von Müll, für die hiesigen Verhältnisse könnte man sogar von einer ausgesprochenen Sauberkeit sprechen, eine Mülldeponie oder -verbrennung allerdings nicht vorhanden. Nur Aludosen werden an vereinzelt vorbeiziehende Boote gegen geringes Entgeld verkauft oder eingetauscht. Alles andere wird, deutlich sichtbar, direkt am Inselufer entsorgt, der Uferrand selbst ist mit zahllosen Toilettenbruchbuden übersäht. Die abgehärteten Kinder schwimmen, baden und tauchen hier sogar unter den Aborten nach Fischen und Oktopus mit ihren einfachen Harpunen. Selbst die in Panama-City hochgeschätzten Langusten werden in dieser Kloake in Drahtkäfigen bis zum Verkauf lebend zwischengelagert und nehmen so alle Keime auf, die auf -itis enden. Nicht immunisierten Touristen ist jeder Kontakt mit dem Wasser dringend abzuraten, was leider nicht immer möglich ist (z.B. wenn man ein Einbaum besteigt). Zumindest sollten Wunden wasserdicht geschützt werden.


"WC's"
Foto: © Nadine Martin, Bonn

Trotz vollständiger Erkundung der Insel ist es uns nicht möglich, auch nur einen Meter unvermülltes Ufer zu entdecken, auch das Innere der Insel bietet keine Möglichkeit sich entspannt niederzulassen. Durch Zufall finden wir eine belgische Volontärin eines internationalen Studentenaustausches, die in einem der wenigen einheimischen Steinhäuser eine Unterkunft fand. Sie arbeitet teils in der Schule, teils im Inselhospital und wurde nach dem Zufallsprinzip hierher geschickt. Das Krankenhaus ist nach ihrer Auskunft mit Notfallmaterial relativ gut ausgestattet, die Hygiene kann allerdings nur im Kontext des Umfelds als angemessen bezeichnet werden. Die bezahlten einheimischen Kräfte, die sie unterstützen sollen, kommen nach ihrer Erfahrung den Betreuungsaufgaben in keiner Weise nach. Nach drei Wochen ernüchternder Eingliederung sucht sie nun dringend um eine Versetzung anderen Ortes nach.
Immerhin bekommen wir bei ihr den einzigen Kaffee auf der Insel - mehr oder weniger privat - und können uns auf der vergitterten Veranda einer gewissen "Freiheit und Unabhängigkeit" erfreuen, sind somit auch der Tuchfühlung ständig neugieriger Kinder für eine Weile entzogen.

Im Inseldorf gibt es einige kleine abendlich geöffnete "Restaurants", die meist drei Gerichte anbieten: frittiertes Hühnchen mit Patacones, frittierten Fisch mit Patacones und frittierten Fisch mit Reis. Hühnchen gibt es selten, trotz großen Angebots an fangfrischen Kalamaren, Oktopus und Langusten ist man auch bei entsprechenden Wünschen noch nicht flexibel genug. Hinzu kommt, dass nicht regelmäßig geöffnet ist. Am zuverlässigsten ist noch das "Restaurant Poolbillard", vom Volleyballfeld die Straße links parallel zur Küste nehmen. Hier verfügt man, wie in dem "Restaurant" am Hauptanleger / Volleyballplatz, auch über elektrisches Licht (bis etwa 22 Uhr), so dass man nicht gezwungen ist, vor Sonnenuntergang (kurz nach 18 Uhr) zu essen. Außerdem gibt es hier Stühle und, wie der Name schon verrät, einen Billardtisch! Die Küche besteht aus zwei Gasbrennern, die vor der großen Bambushütte auf einen Tisch gestellt werden, die rohen Zutaten stehen in mehreren Schüsseln verteilt.
Patacones sind speziell zubereitete Kochbananen und typisch für Panama. 3-4 cm dicke Scheiben werden mit dem Boden einer Limonadenflasche flachgedrückt und dann einige Minuten in siedendem Öl frittiert. Dazu gibt es frittierten Fisch, wobei wir uns aussuchen dürfen, ob wir die Köpfe oder andere Teile bevorzugen. Als einziges Gewürz dient eine höllisch scharfe Chilisauce, die wir nach dem Probieren winziger Mengen mit tränenden Augen dankend ablehnen. Alle amüsieren sich darüber, das scheint man zumindest schon zu wissen: Touristen wissen Köstlichkeiten nicht zu schätzen. Elektrizität! Das bedeutet Luxus und einen Kühlschrank mit kaltem Bier! Dafür zahlen wir mit 70 cents genau so viel wie für unser Abendessen.

Früh am Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, bewegt sich etwas nur wenige Zentimeter von meinem Kopf entfernt. In der Nachbarhütte ist man wachgeworden und die steht so dicht neben der unsrigen, dass man sich nicht einmal durch den Zwischenraum bewegen könnte. So werden wir Zeugen, zumindest akustisch, wie sich so ein familiäres Indio-Frühstück anhört: leise, außer Geschirrklappern hören wir nur Schlürfen und Schmatzen. Im Anschluss lernen wir dann auch noch ein Kinderlied, das die Mutter ihrem Nachwuchs äußerst geduldig und liebevoll beibringt.


... Tengo, tengo, tengo, do tengo, tengo yo ...
Foto: © Nadine Martin, Bonn

Wir wollen schnorcheln. Ein Problem stellt das Kanu dar, denn alle Männer sind mit den einzigen hiesigen Transportmitteln bis zum frühen Nachmittag unterwegs zur Arbeit. Sporadischer Tourismus ist keine sichere Einnahmequelle für sie. Aber wir haben Glück. Fabio kennt einen Freund, der einen Freund kennt und dieser weiß wo jemand ein Einbaum hat. Drei Dollar und wir sind unterwegs. Eine gute halbe Stunde benötigen wir in dem gewöhnungsbedürftigen, wackligen Gefährt, um eine nördlich von Playón Chico liegende kleine Insel zu erreichen. Ein Indio würde die Strecke in nicht einmal 15 Minuten schaffen, aber der Umgang mit dem schweren Einhandstechpaddel will gelernt sein. Auf dem winzigen Eiland finden wir neben 46 Palmen noch einige, für hiesige Verhältnisse luxuriöse Bambusunterkünfte, die von einer nahe gelegenen Hotelinsel bewirtschaftet werden, aber die meiste Zeit leer stehen. Außer uns gibt es keinen Menschen weit und breit und wir genießen die idyllische Ruhe am kleinen Sandstrand.
Zur Hauptinsel hin liegt ein breiter Seegrasgürtel, der von einigen Korallen weiter außerhalb unterbrochen wird. Zu den ersten Trophäen beim Schnorcheln gehört eine Leopardenmuräne und ein kapitaler Barrakuda. Zur offenen See und der benachbarten Insel hin gibt es einen kurzen schmalen Kanal, der auf etwa 10 Meter Tiefe abfällt und einen sandigen Grund hat. Dies könnte eine Stelle sein, wo auch eine Chance auf kleine Haie bestehen könnte. Beidseitig verstecken sich tagsüber in den Schlupfwinkeln der Korallenstöcke Langusten und Langustinos, die von einheimischen Schnorchlern gesucht werden. Mit einem 1½ m langen Bambusstab, an dessen Ende sich ein Zugschlinge befindet, tauchen sie bis auf den Grund und ziehen im Erfolgsfalls die Schlinge ruckartig um die Beute zu. Dabei sind sie so erfolgreich, dass der Häuptlingsrat eine Verordnung beschloss, wonach den Tieren eine dreimonatige Ruhepause zur Regeneration zugestanden wird, die bei Nichteinhaltung drastisch sanktioniert wird.
Am späten Nachmittag vertreiben uns dann schließlich kaum sichtbaren Quälgeister. Es sind leishmanioseübertragene Sandmücken und wir beschließen eine weitere Schnorcheltour zur Hotelinsel Sapibenega, etwa 1.5 km westlich. Nadine hat Blasen an den Händen und wir haben wieder Glück. Fabio kennt einen anderen Freund, der einen Vetter kennt und dieser weiß wo jemand einen 15 PS - Yamaha - Motor hat. Ein paar Limonadenflaschen Diesel lassen sich einfacher besorgen. Dies alles kostet zwar 5 $ mehr, uns aber keine Anstrengungen und zudem ist es blasenschonend. Zwischen der Haupt- und naheliegenden Schwesterinsel erstreckt sich auf der Festlandseite hin ein uninteressanter Seegrasgürtel. Zum offenen Meer gibt es zwar Brandung, die aber durch die vorgelagerten Inseln stark abgeschwächt ist. Schwierig ist und bedarf der Erfahrung das Korallendach bei Niedrigwasser im Übergangsbereich zu überwinden. Danach öffnet sich ein meist flach abfallender Korallenhang, bis auf eine Tiefe von etwa 13 Meter, der sich bis zur Nachbarinsel erstreckt. Sandstrände fehlen, dadurch ist die Sedimentation sehr gering, die Sicht entsprechend wunderbar klar. Hier lassen sich neben Kalamaren und Muränen auch eine Vielzahl von Korallenfischen, Grundeln und Schnapper sehen. Trotzdem bleibt die Fischwelt in der Quantität eher gering. Allerdings besteht auf Grund der Lage die Chance auf Großfische.

Schmucklanguste 10
Foto: © Muskan, cuesta@gmx.net

Sepie 53
Foto: © Muskan, cuesta@gmx.net

Die Sicht lag im besten Falle, natürlich punktuell sehr unterschiedlich und abhängig von der Entfernung zu Sandstränden, bei vertikal 10 m klar / 15 m diffus und manchmal horizontal über 15 m klar.
Die Unterwasserwelt wird im Flachwasserbereich dominiert von Seegraswiesen (Thalassia testudinum), stellenweise die rasenbildende Koralle Poritis poritis und astreoides, sowie Rot- und Braunalgen. Den Hauptanteil der Korallen stellen Millepora complanata, auch einige Hirnkorallen (Collophyllia natans, Diploria labyrinthiformis, D. strigosa und clivosa), sind anzutreffen, Montastrea-Stöcke (annularis und cavernosa) finden sich in größeren Tiefen. Im Unterschied zu Bastimentos im karibischen Nordpanama sind die massiven, rotbraunen halbkugelförmigen Korallenstöcke der Siderastrea siderea, die bis in den Bereich des Ebbeniedrigwassers wachsen, eher selten. Sie bilden oft typische "Mini-Atolle" mit einem ringförmigen Wulst lebender Korallenpolypen und einem zentralen abgestorbenen Plateau. Ferner findet sich die Rosenkoralle Meandrina meandrites und etliche Seeigel (Echinonetra lucunter). Porolithon pachydermun (Kalkrotalgen) überwächst viele, vor allem in den durch die Abwasserfahne des Städtchens abgestorbenen Korallenbereichen. In Strömungsbereichen bildet die Geweihkoralle Acropora cervicornis gelegentlich größerflächige Bereiche, auch einige Tischkorallen (Acropora spicifera oder palmata) scheinen diesen Lebensraum zu bevorzugen.

Nachdem die Abwechslung der letzten Abende aus Fisch mit Reis, dann Reis mit Fisch bestand, unser Wunsch nach einer Portion Oktopus oder Kalamare trotz reichlichem Fang nicht umgesetzt werden konnte, beschließen wir uns selber etwas zu basteln. Mit Fabios Hilfe können wir neben einigen gut aussehenden, preiswerten Fischleichen zwei lebende Langusten erstehen, das Kilogramm zu etwa sieben Dollar. Vollkommen unerwartet zieht der eingeborene Fischer plötzlich einen hochmodernen Solartaschenrechner hervor - um den Differenzbetrag zu unserem 20 $ - Schein zu errechnen. Für einen weiteren Dollar köchelt unsere Nachbarin die Köstlichkeit. Eine Beilage, und da gibt es alternativ zu Reis und Patacones nur das hiesige leckere, mit Kokosnussöl gebackene Brot, das in einigen Töpfen vor irgend einer Hütte feilgeboten wird. Damit ist natürlich das Problem von Tisch und Stuhl noch nicht gelöst. Dies ist in der Hütte von Fabio noch nicht, und wohl auch in absehbarer Zeit nicht vorhanden und bedarf einer wohlausgefeilten Logistik.
Ist sowohl die Petroleumlampe in Betrieb als auch der Tischersatz wackelsicher aufgestellt, der dampfende Kochtopf serviert, darf das Mahl beginnen. Aber halt, wie öffnet man eine Languste mit den bloßen Händen? Besteck ist keines vorhanden, das Leatherman-Tool mit der tollen Zange hat man mir am Flughafen abgenommen und trotz der Zusicherung des Piloten "Don't worry, tomorrow with the next plane" auch nicht mitgebracht. Irgendwann kapitulieren auch meine platingestützten Keramikzähne, die Finger sind an den spitzen, allgegenwärtigen Dornen blutig gestochen und ich um die Einsicht erweitert, dass auch eine tote Languste eine gute Languste ist und sich noch postmortal zur Wehr setzen kann. Nadine findet ein wohlgewichtiges Holzbrett - Steine sucht man auf der ganzen Insel vergeblich - und schlägt damit die Beinchen und Fühler zu Brei, um an das leckere Innenleben heran zu kommen. Fabio vergustiert mittlerweile die von uns verschmähten Köpfe und ich habe es endlich geschafft an das Edelste heranzukommen. Ein gutes Pfund rosaweißen, reinstes Muskelfleisch liegt in meinen Händen, nie wieder werde ich einen derartig riesigen Langustenschwanz in die Finger bekommen, höchstens zu dem zwanzigfachen Preis. Noch kurz entdarmt und ich mampfe mich trotz zunehmender Sättigung tapfer durch das leckere Teil hindurch, bis auch der letzte Rest in den geheiligen Hallen des gastralen Trakts meines Astrallaibs weilt und der weiteren Verwertung entgegensieht.
Rüülps, pardon, das waren Auswirkungen der letzten Dose lauwarmen Panamabieres.


Fisch mit Brot
Foto: © "Nik"Klaus Polak

Mittlerweile hat sich ein halbes Dutzend schaulustiger Erwachsene und doppelt so viele Kinder eingefunden, letztere auf einer logarithmischen Skala neugierig. Alle beobachten auf Tuch- und Hautfühlung, wie wir stilecht unsere Finger mit Limonen säubern, folgt unseren Lippen bei der offenkundig außerirdischen Sprache, sehen uns mit offenem Mund beim Aufräumen zu, möchten am liebsten anschließend das Taschentuch sehen, mit dem wir uns die Nase putzen, äugen interessiert in unser Kauderwelsch-Büchlein "Spanisch für Panama", erwidern leicht verschämt, dann doch belustigt unsere eigenen forschenden Blicke. Wäre da nicht die unsichtbare Barriere "Tür", würde man wohl auch aufs Klo folgen. Zum xten Male müssen wir unseren Namen verraten, ich habe gelegentlich den Eindruck, dass immer die gleichen Kinder fragen. Auch ob wir verheiratet sind, Kinder haben und woher wir kommen, weckt das Interesse. Vermutlich liegen für sie aber Deutschland und Frankreich irgendwo in der Nähe von New York oder auf dem Mond, was schließlich das Gleiche ist.
Der Topf ist nach Übergabe an die Kinder und kleinen Rangeleien um Langustenbeine und Fischköppe alsbald klinisch sauber - wenn auch die abgenagten und ausgelutschten Reste in der Gegend verstreut liegen und den Ameisen zum Mahle dienen. Topf, "Tisch" und den einzigen Stuhl müssen wir am nächsten Tag zurück geben, in der Hütte nebenan schläft man bereits.
Schließlich ist es wie überall auf der Welt: als die Grundbedürfnisse befriedigt sind, verdunstet nach und nach die Ansammlung. Man lässt uns alleine zurück, auch Fabio ist jetzt müde. Die Milchstraße glitzert, die Mondsichel lächelt, Wetterleuchten blitzt schemenhaft am nächtlichen Horizont, irgendwo dahinter verrenkt man sich jetzt gerade den Kopf nach dem Mars, denn der ist zur Zeit so nahe zur Erde, wie nur alle paar Hundert Jahre einmal, und das will sich keiner entgehen lassen. Wir verrenken uns eher den Kopf um durch die bauchnabelhohe Tür in unsere Hütte zu gelangen. Für uns wird es Zeit die Hängematten zu richten, eine Notbeleuchtung aufzustellen, alles mäuse- und ameisensicher zu aufzuhängen, um dann von riesigen Steaks, Pizzas und Snickers, für uns Lichtjahre entfernt, zu träumen.

Unsere Nachbarn sind ein inzwischen gewohnte Wecker, den Sonnenaufgang bekommen wir mangels Fenster sonst nicht mit.
Wir wollen heute mit unserem motorisierten Einbaum etwa drei Kilometer östlich der Hauptinsel einen Fluss hinauffahren und einen Dschungeleindruck gewinnen. Nach den üblichen Besuchen bei Fabios Freunden und deren Vettern geht es bald vorbei an Mangrovendickichten Richtung Flussmündung. Kaum haben wir diese durchfahren, werden wir von dichten Dschungelwänden am Ufer empfangen. Wer erstmals diese Begriffe hört, dem fallen Schwüle, Hitze, Affen, wilde Tiere und steinzeitliche Eingeborene, sowie Tarzan & Jane ein. Wilde Tiere bekommt man jedoch fast nie zu sehen. Sie lassen höchstens einmal ein Rascheln auf der Flucht zu hören - man gehört einfach nicht in ihr Beuteschema und betrachten sich selber als Gejagte. "Unfälle" mit ihnen sind eher "Irrtümer" der Tiere, die glauben keinen anderen Ausweg mehr zu wissen. Nicht unbedingt ein Trost für Betroffene, aber eine gewisse Beruhigung für den Sonntagsspaziergänger aus den aufgeräumten nordeuropäischen Forsten. Viel größer ist die Gefahr erschlagen zu werden: durch ohne Vorwarnung unter der Last von Lianen, Farnen und Orchideen umstürzende Bäume, kilogrammschwere Früchte, abbrechende Äste oder Farnbüschel, die als Epiphyten auf Ästen in den Baumkronen ihr Dasein fristen. Relativierend muss man sagen, dass es erheblich gefährlicher ist, während der Rushhour in Potsdam unterwegs zu sein.


Epiphyten
Foto: © "Nik"Klaus Polak, Bonn

Der Begriff "Dschungel", der oft als Synonym für "Regenwald" gebraucht wird, stammt ursprünglich aus dem Sanskrit: "Jangula" bezeichnet ein undurchdringliches Dickicht. Undurchdringliche Vegetation findet man hingegen viel eher in den ursprünglichen (!) Mischwäldern Mitteleuropas mit ihrer ausgeprägten Strauchschicht. Nicht dass der Regenwald gerade ein erstklassiges Terrain für eine Radtour wäre, aber man kommt doch recht gut zu Fuß voran, ohne die ganze Zeit mit einer scharfen Machete herumfuchteln zu müssen.
Im Wald selbst oder an seinen Rändern erkennt man, dass der Dschungel durch eine Aufteilung in verschiedene Stockwerke geprägt ist. Die Kronenregion ragt bis zu 40 m Höhe auf. Sie wird vereinzelt von Baumriesen (Überständer) durchbrochen, die bis in 70 m Höhe reichen können. Eine zweite Baumschicht bildet ihre Kronen in 30 m, die dritte und niedrigste Schicht in 10 m Höhe. Eine Strauchschicht fehlt oft völlig, die Moos- und Krautschicht ist in der Regel spärlich. Erklärbar ist dies durch die geringe Sonneneinstrahlung, die den Boden erreicht. In diesen unteren Bereichen kann sich nur auf Lichtungen, steilen Berghängen oder an Flussläufen eine üppige Vegetation entwickeln. Während wir am Uferrand entlang tuckern, fliegen über uns Aras, bewegen sich kleiner Horden von Kapuzineraffen, grüne Leguane (der Schwanz ist eine Delikatesse wie man uns versichert), Faultiere 2, 69 (unser Führer verzieht das Gesicht, was wohl heißen soll, kommt nur im Notfall auf den Tisch)... und Schlangen (ich bemerke seinen Blick, der auf einen Gourmet zu verweisen scheint).


Grüner Leguan Iguana iguana (im Alter rötlich-grünbraun)
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Foto: © "Nik"Klaus Polak


Eine der giftigsten Schlangen Mittelamerikas: die Palmviper Bothriechis schlegelii
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Foto: © Nadine Martin, Bonn

Plötzlich versagt der Motor, wir sitzen fest. Alles gute Zureden, zig Startversuche helfen nicht. Der Treibstoff ist nach Meinung unseres Bootsführers anscheinend gepanscht, wir müssen uns per Muskelkraft behelfen. Allerdings sind nur zwei Einhandpaddel vorhanden und das Boot ist schwer und scheint mit jedem weiteren Meter schwerer zu werden. Mit Mühe umschiffen wir die Untiefen, erreichen die Mündung, geraten in den Brandungsbereich und versuchen in dem schmalen Einbaum die Balance zu halten. Jede Bewegung bringt uns in gefährliche Schräglage und die Wellen wollen peinlichst genau ausgeglichen werden. Gut, dass Nadine auf die Idee kommt ihr Sitzbrett als Notpaddel zu nutzen, dafür sitzt sie nun in einer Suspension aus Öl, Diesel und Salzwasser. Der Bootsführer ist ununterbrochen mit Schöpfen beschäftigt, erstaunlich, dass er gleichzeitig paddeln kann. Langsam, sehr langsam geht es voran, bis wir in einer ungefährlichen Dünung parallel zu Küste geraten. Nach einer Stunde zeigen sich unter uns Korallenstöcke. Warum mühsam die unhandlichen Stechpaddel bewegen, wenn wir auch schnorcheln können? Wir ziehen unsere Flossen an, nehmen Brille und Schnorchel und lassen uns zugleich in das 28°C warme Wasser fallen. An der Ankerleine ziehen wird das Boot hinter uns her, während unsere beiden Begleiter tatkräftige Unterstützung geben. Immerhin haben wir für kurze Zeit unseren Spaß, dann müssen wir wieder einsteigen, die Abwasserfahne des Dorfes macht sich überdeutlich bemerkbar, es dümpelt so einiges Unappetitlich vorbei. Gut zwei Stunden haben wir zurück gebraucht, für eine Strecke, die auf dem Hinweg knapp 20 Minuten gedauert hat.

Am Abend sitzen wir in der Dunkelheit am Bootsanleger und lassen den Tag ausklingen. Da sonst nichts auf der Insel unternommen werden kann, schauen wir den rauchenden Männer am Kai neben ihrem Boot aus Kolumbien zu und spekulieren leise, was wohl an Bord zwischen den Bananen, Kokosnüssen und anderen Waren zu finden wäre ... . Plötzlich hören wir ein lautes Stimmengewirr. Eine dunkle Menschenmasse bewegt sich auf uns zu. Frauen, Kinder und Männer schreien, pfeifen und kommen laufend aus dem Hauptpfad der Insel in unsere Richtung. Die vordere Gruppe bildet einen engen Ring um einen ... Mensch? Werden wir Zeugen einer Kulthandlung? Was geht hier vor? Ein Gefühl der Unsicherheit ergreift uns, wir tauschen unsichere, fragende Blicke aus. Der Strom der Menschenmasse zieht über den unbeleuchteten Platz einige Meter an uns vorbei. Andere kommen, vom Lärm alarmiert und angelockt, aus finsteren Pfaden und Hütten heraus, alle verschwinden hinter einem Gebäude in die Nacht. Neugierde und Furcht sind gleich groß.
Der Gedanke, dass vielleicht jemand gelyncht wird, lässt Nadine nicht los. Sie versucht sich mit einigen Wörtern Spanisch, mit Händen und Füßen bei scheinbar scherzenden Indio-Frauen zu erkundigen, die sie verschwörerisch durch ihren "Tante-Kuna Laden" zur Hintertür ziehen. Um die Ecke steht die Menschenmasse im elektrischen Licht eines Gebäudes. Da die Kunas relativ klein sind, kann Nadine über ihre Köpfen hinweg sehen: hinter einer Art Saloon-Tür und einer niedrigen Mauer sitzt ein dürrer Mann auf dem kahlen Boden einer überdachten Terrasse. Ein ernst wirkender Mann bindet dem Festgenommenen die Hände hinter dem Rücken und die Füße. Die Menge schaut sich das Ganze an, teilweise erschrocken, teilweise lachend, sodass sie die Lage nicht einschätzen kann. Nach kurzer Zeit ziehen sich alle plaudernd und offensichtlich erleichtert zurück. Zurück zum Bootsanleger rätseln wir über die Beobachtungen.

Noch vor Sonnenaufgang sorgen unsere Nachbarn wie immer für das rechtzeitige Aufstehen. Es gilt die Rucksäcke zu packen. Dabei erfahren wir von Fabio, was gestern Abend vorgefallen war. Der dürre Mann, den Nadine sah, ist Familienvater und hatte unter Einfluss von Kokain und Alkohol sein Kind erwürgen wollen, wurde von Nachbarn gehindert und zur Polizeistation gebracht. Auf unserem Weg zur Landepiste sehen wir ihn ohne Handschellen, begleitet von einem uniformierten Polizisten durch das Dorf gehen. Wohin, wozu? Wir können es nicht mehr in Erfahrung bringen und warten auf die 7-Uhr-Maschine aus Panama-City. 7.10, 7.20, 7.30., 7.40 Uhr ..., nichts rührt sich. 8.00, 8.10 Uhr, ... dann hören wir entferntes Propellergeräusch. Ein Aufatmen, dann die Enttäuschung: es ist nur der Postbote. Eine plötzlichen Eingabe und mutige Frage hat drei Minuten später zur Folge, dass uns der Pilot direkt hinter sich in seiner sechssitzigen Maschine mitsamt unseren Rucksäcken verstaut und ab geht es. Nach einem Ticket wird gar nicht erst gefragt, wer hierher kommt, hat offensichtlich auch immer einen Retourschein in der Tasche. Auf unseren Wunsch hin wackelt er zum Abschied unseren Gastgebern nochmals mit den Flügeln zu, dann sind wir auch schon über dem dichten Regenwald Richtung Panama-City unterwegs.
Der Landeanflug auf den nationalen Flughafen führt über die Nord- und Südamerika verbindende Interamericana-Brücke, die den Panama-Kanal (linke Sitzseite am Fenster wählen!) quert.


Brücke über den Panama-Kanal
Foto: © Nadine Martin, Bonn

Nur drei Stunden nach unserem Abflug aus dem Indio-Dorf sitzen wir am Pool unseres Hotel im 7. Stock und blicken auf die Skyline der Bankenmetropole Panama-City. Morgen soll es weiter nach Costa Rica gehen und ich möchte noch unbedingt einen Panama-Hut kaufen, aber einen echten, nicht den aus Kolumbien, den alle Welt fälschlicherweise für DEN "Panama-Hut" hält. So gehen wir nach der Erfrischung in die Fußgängerzone und treffen dort Kuna-Frauen, die selbstbewusst molas verkaufen ... .

Weitere Unterkünfte im Archipel

Unterkünfte in Panama-Stadt

Anreise

Der Flug in den Archipel mit Aeroperlas, dem zuverlässigsten Anbieter, kostet ab dem nationalen Flughafen in Panama-City 75 $ (Retourticket). Bei den Ankunftsflughäfen sind bis zu 4 $ Flughafengebühr fällig. Reservierung 507315888, info@aeroperlas.com.

Preise

Panama liegt, hält man sich an ortsübliche Unterkünfte und Restaurants, etwa 20 - 40 % unter den päischen Preisen, internationaler Standard ist inzwischen überall auf der Welt ± gleich teuer. Im Archipel schwanken die Preise je nach Art der Region. Hotelinseln bieten Unterkünfte ab 40 $ / Tag, in den Indiodörfern zahlt man für die Hängematte in einer primitiven Hütte 5 $. Überall muss ein Zuschlag für den Transport westlicher Waren - wenn überhaupt vorhanden - eingerechnet werden.
Es existieren mehrere kleine Läden und Kioske, in denen ein Minimum an Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen angeboten wird. Die Versorgungsmöglichkeit vor Ort ist aber allgemein sehr stark eingeschränkt, Trinkwasser in Flaschen aber vorhanden. Einen gewissen Zuschlag für den Antransport hatten wir zwar erwartet, aber leider versuchen die Einheimischen recht unverschämt noch höheres Kapital herauszuschlagen. Die Preise können um 100% variieren, Vergleiche lohnen also durchaus. So werden an der "Hauptstraße", die die Insel von West nach Ost durchzieht, für 0.5 l Wasser 1 $, in dem Geschäft unterhalb des temporären "Restaurants" neben dem Hauptbootsanleger für 1.5 l nur 1.75 $ verlangt! In dieser Phase des Tourismus ist es leider bei fast jedem Kauf empfehlenswert, einen orts- und preiskundigen Guide bei sich zu haben, insbesondere wenn das eigene Spanisch, wie bei uns, mehr als mangelhaft ist.

Kontakt zu Playón Chico (Ukupseni)

Den Kuna-Indio Fabio trifft man in David im zentralen Parque Cevantes. Einfach irgend jemanden dort auf ihn ansprechen oder Mobil 5022723, E-Mail niskua@hotmail.com.

Literatur


© "Nik" Klaus Polak
seit 2/2003 als freier Journalist auf Weltreise
www.nikswieweg.com

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